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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman
Autoren: Luchterhand
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Händen, und sie lächelte zum Himmel hinauf. Feine, weiche Flocken landeten auf ihrem hübschen Gesicht.
    Die Dorfbewohner von Charmisch hatten sich warmgelaufen, gewannen an Sicherheit und nahmen die Verfolgung der ungerufenen Gäste auf. Die Explosionen und der Rauch aus Richtung des Hügels erzählten ihnen, dass etwas passierte, und wenn etwas passierte, besagte das stets, dass die Araber etwas abkriegen würden, auch wenn vorher die Siedler dran waren. Sie näherten sich dem Trio. Jemand neben Nimr schoss zwei Feuerwerksknaller zur Einschüchterung in die Luft ab. Und Nimr selbst zog seine Pistole heraus und feuerte zweimal in die Luft. Warum ist einer von denen ein Hadschi? Und warum hat der da eine Gummiglatze und Roni eine Lockenperücke und leere Brillengläser? Machen sie sich lustig über uns? Sind sie betrunken?
    Sie waren betrunken. Sie stolperten und versuchten zu fliehen. Sie hatten so schreckliche Angst. Jakir standen vor Angst und Wut auf seinen Vater die Tränen in den Augen. Roni versuchte schon gar nicht mehr, irgendjemanden von seinen friedlichen Absichten zu überzeugen. Josh fuhr fort, Steine zu werfen und zu fluchen. Sie rannten in Richtung Stützpunkt. Als Jakir die Schüsse und Explosionen hörte, warf er die Geschenksendung endgültig weg, zog die Desert Eagle heraus, entsicherte sie und schoss in die Luft. Der Knall ließ Roni zusammenfahren, er schrie: »Was machst du denn? Esel!« Die Verfolger spritzten nach allen Seiten auseinander – ähnlich Jenias Keksen aus der zerrissenen Tüte –, aber dann nahmen sie die Verfolgungsjagd mit erneuter Kraft auf. Roni schwitzte, doch aus irgendeinem Grund dachte er nicht daran, die Perücke und die Brille abzunehmen. Auch Josh behielt seine Kafija und Jakir seine linken Accessoires – man denkt nicht an solche Sachen, wenn man um sein Leben rennt. Jakir schoss wieder in die Luft, und der Schuss ließ die palästinensischen Verfolger für einen Moment zurückscheuen, doch dann waren auch von ihrer Seite weitere Schüsse und Knaller zu hören.
    »Genug, genug mit der Schießerei«, krächzte Roni heiser und atemlos. »Wir sind fast da.« Josh drehte sich um und warf noch eine Handvoll Steine. Die Araber sammelten sich mit erneuten Kräften und erhöhtem Adrenalinpegel. Von irgendwoher tauchten Reifen auf, die in Brand gesetzt wurden, und schwarzer, stinkender Rauch stieg in die kalte Luft auf. Josh brüllte: »Schieß sie in den Kopf!«, und Roni gab zurück: »Bist du wahnsinnig geworden?« Jakir zielte, gab einen letzten Schuss zum Himmel ab und dachte mit stotterndem Herzen: Das ist es nicht wert, ich will nicht für diesen Blödsinn sterben.
    Und dann hörte der Schnee zu tändeln auf und begann wirklich richtig zu fallen: mit dicken, langsamen, weichen, majestätischen Flocken.
    Soldaten, Polizisten und Siedler drehten den Kopf den Schüssen zu, die im Süden zu hören waren, und sahen eine wütende Menge Palästinenser aus der Richtung Charmischs daherstürmen und schwarzen Rauch aufsteigen. »What the fuck?«, murmelte Omer Levkovitsch genau in dem Augenblick, als die Planierraupe den Strommast traf. Die Musik riss ab, die Beleuchtung erlosch, eine Reihe kleiner Explosionen war zu hören, und Funken stoben von den Stromleitungen. Entsetzensschreie und Hilferufe wurden laut, alle rannten durcheinander in alle Richtungen, schrien und weinten, und nur der Schnee fiel seelenruhig weiter, so majestätisch wie Mordechais Purpur.
    Das Ende
    Der Schnee ruhte drei ganze Tage lang auf Ma’aleh Chermesch 3, deckte es zu, ließ es verstummen. Die Stille fror alles ein, die Ruhe verlangsamte jede Bewegung, die Hügel ringsherum blinkten in ihrer Weißheit, und die entfernten, niedriger gelegenen Wüstenlandschaften trugen zu der eigenartigen Atmosphäre in einem noch helleren Beige als gewöhnlich bei, und der fast weiße Himmel bleichte die Sonne, die schließlich schwächlich herausschaute, mit bescheiden gesenktem Haupt.
    Und in der Stille war nur ein kleiner Hammer zu hören, der tak-tak-tok klopfte: Gabi erweckte sein Zimmer wieder zum Leben. Und das Jauchzen der Kinder, die Schneebälle in der Mamelsteinanlage rollten und auf dem Hintern den Hügelabhang hinunterrutschten.
    Roni Kupfer verbrachte die erste Nacht nach dem Purimfest im Junggesellenwohnwagen von Josh und Jehu, der auch Gabis vorübergehendes Zuhause war. Er war in Gedanken an die Aufregung der Ereignisse der letzten Tage befangen, an Telefongespräche mit Rina und den Blitzbesuch
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