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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman
Autoren: Luchterhand
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in Tel Aviv, an den zertrümmerten Wohnwagen, der in den letzten Monaten sein Heim gewesen war, an die Friedensdelegation nach Charmisch, die danebengegangen und ins Chaos abgestürzt war – letztendlich aber, wie er inzwischen begriff, exakt das Ziel erreichte, das Otniel von vornherein ins Auge gefasst hatte.
    Trotz des Adrenalins und der sich überschlagenden Gedanken schlief er in dem Moment ein, in dem er den Kopf auf die Matratze legte, und erwachte am Morgen auf einem weißen Hügel, in Bewunderung seiner reinen Schönheit. Rina rief an, und sie brachten die Tage des Schnees in einem langen Seelengespräch zu, und in dem Moment, in dem wieder Fahrzeuge den Hügel verlassen konnten, fuhr er nach Tel Aviv. Als sie sich trafen, teilten sie eine unbeholfene Umarmung miteinander und einen zögernden Kuss auf die Wange. Beim Mittagessen entwickelten sie ihre Idee weiter: eine Nachtklub-Bar, die »Geschlossener Garten« heißen und während der Nachtstunden in Rinas geschlossenem Kindergarten in der Schlomo-Hamelech-Straße betrieben werden sollte. Rina betonte immer wieder – als versuchte sie, es sich selbst einzureden –, dass die Verbindung zwischen ihnen rein geschäftlich sei. Sie brauchte verzweifelt Geld, denn die Stadtverwaltung hatte sie im Würgegriff, Kinder verließen den Kindergarten, doch die Ausgaben reduzierten sich nicht, und sie war in einen Strudel von Schulden geraten, wollte aber nicht schließen, denn sie liebte die Arbeit, das war es, was sie konnte, und sie machte es gut. Roni war sicher, dass der Geschlossene Garten ein Hit werden würde. Die Kunden würden ganz versessen auf die Kindergartenkulisse sein, denn es war keine Kulisse, sondern die natürliche Umgebung des Orts. Die Leute liebten Authentizität. Er würde eine kleine Bar in einer der Ecken einrichten. Er würde dafür sorgen, dass die Räumlichkeit nach jeder Nacht sauber, ohne Stummel und Bierflecken, wohlriechend und ordentlich wäre. Er dachte sogar, dass er es mit ein paar Beziehungen aus der Vergangenheit schaffen könnte, eine halboffizielle Genehmigung von der Stadtverwaltung zu bekommen. Er war aufgeregt, denn er wollte es unbedingt. Das war das Passende für ihn. Ja, versicherte er Rina, nur geschäftlich, klar. Doch sie trennten sich mit einem langen Blick und einer ausgedehnten Umarmung, und als Roni nachher in den Straßen der Stadt herumlief, wusste er, dass er nicht nur wegen des Geschäfts und der Rückkehr nach Hause erregt war, sondern auch, vielleicht hauptsächlich, wegen der Wärme ihres Körpers und ihren braunen Augen.
    Bei seinem nächsten und letzten Besuch in Ma’aleh Chermesch 3 – nach dem Schneefall, nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, nach der endgültigen Entscheidung, nach Tel Aviv zurückzukehren – kam er mit einem kleinen, schwarzen Hundewelpen an, den die Hündin von Rinas bester Freundin geworfen hatte. Ein bezaubernder Welpe, still, ganz klein und plüschig, und Roni hatte beschlossen, dass er ein wunderbarer Gefährte und Freund für seinen Bruder sein würde. Ein Abschiedsgeschenk.
    Gabi lächelte. Er kraulte den Welpen unterm Kinn und beeilte sich, eine Schale mit Wasser und eine weitere mit Frischkäse hinzustellen, die der Hund mit seiner kleinen, rauen Zunge ausleckte. Amalia und Tchelet werden verrückt nach ihm sein, dachte Gabi. Er wusste, dass sein Bruder meinte, er bräuchte einen Freund, um die Einsamkeit zu mildern. Nu, soll er es denken, wohl bekomm’s. Wenn er nicht verstanden hat, dass ich nie einsam bin mit dem Herrn der Welt, dann wird er es auch nicht mehr kapieren. Der Hund ist wirklich süß. Er wird ein gutes Leben hier haben. Man muss einen Namen für ihn finden, wir werden mit den Mädchen überlegen. Gabi sagte zu Roni, dass ihm der Geschlossene Garten wie auf den Leib geschneidert sei. Er wünsche ihm nur Gutes. Und sein Bruder antwortete ihm: »Weißt du, was? Dieser Brazlawer Chassidenlook, mit dem Bommel am Ende, passt dafür dir wie angegossen. Diesmal wirst du es schaffen durchzuhalten, und auch das neue Zimmer ist schnell wieder aufgebaut. Leb wohl, Bruderherz.« Sie umarmten sich lange, und Gabi fühlte sich leicht, leicht wie ein Luftballon.
    Roni begnügte sich mit dem Besuch bei seinem kleinen Bruder. Auf dem Weg nach draußen blieb er stehen, und sein Blick ruhte auf den Olivenhainen Mussa Ibrahims. Was gestorben war, war tot. Sein Blick wanderte zu dem, was von seinem einstigen Wohnwagen übrig geblieben war, dem Wohnwagen der Familie
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