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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Autoren: cross
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Ausdünstungen konnte ich den Duft des Giftes nach Süßholz und Limone in all seiner glorreichen Pracht wahrnehmen. Speichel trat mir in den Mund, überflutete ihn, und meine heißen Lenden pulsierten.
    Verschwunden war der Zweck, der Grund, aus dem ich hier war. Verpufft mein Verlangen, Kratt zu töten, meine Familie zu rächen und der Brutstätte Re einen besseren Herrscher zu bescheren.
    Der Drachenmeister kam näher.
    Peitsche mich, peitsche mich, mich!
    Der Refrain sang durch meine Adern, ohne sich darum zu kümmern, dass keine Leibeigenen aus der Menge während des Mombe Taro ausgepeitscht wurden. Aber meine Sehnsucht interessierte sich nicht für die Realität, weigerte sich, Tatsachen zu akzeptieren. Es war ein Lied, eine Leidenschaft, ein Wunsch, ein liturgischer Gesang zu dem Wummern der Wasserbecken.
    Die Schritte des Drachenmeisters verlangsamten sich, als er sich mir näherte.
    Peitsche mich, peitsche mich, mich!
    Die Frauen neben mir verspannten sich und hielten den Atem an. Die Kinder, die sich um sie drängten, erstarrten. Der Drachenmeister blieb direkt vor mir stehen.
    Der Blick seiner von geplatzten Äderchen marmorierten Augen brannte sich in meine, und der berauschende Duft des Giftes wurde alles für mich. Wie ich mich danach sehnte, von ihm ausgepeitscht zu werden, wie es mich nach dem Schmerz verlangte, weil das Gift sein Begleiter war.
    Eine Feder schwebte durch die Luft. Langsam. Sie wiegte sich hin und her, landete auf einer Peitsche des Drachenmeisters und schimmerte durchsichtig, bevor sie sich in Luft auflöste. Ein Schatten glitt über ihn hinweg, über mich.
    Er blickte zum Himmel hinauf, der Drachenmeister. Ich wusste, was er sah, auch ohne meinen Blick von seinem Gesicht abzuwenden. Einen gewaltigen anderweltlichen Vogel aus dem Himmlischen Reich der Drachen. Einen Himmelswächter. Den Geist meiner Mutter.
    Niemand sonst blickte hoch. Fast, als existierte dieser Vogel, der Schatten, nur für den Cinai Komikon und mich.
    Schließlich löste der Drachenmeister den Blick von dem Aasvogel, senkte ihn auf mich und durchbohrte mich damit. Ich wusste, dass er mich als das erkannte, was ich war: eine Frau, in die Gewänder eines Akolyten gehüllt. Bilder blitzten vor meinen Augen auf, rot, schnell und wild: Bilder, wie ich mich dem Tempel widersetzte, die Schülerin eines Drachenmeisters wurde; wie ich vor einem Drachen lag und mich in der Lust wand, die mir seine Zunge bereitete, die transzendentalen, uralten Erinnerungen der Bestie genoss; Bilder von der Empörung der Öffentlichkeit, der Feindseligkeit des Tempels, dem Brüllen Tausender Malacariten, die meinen Tod in der Arena verlangten …
    Der Drachenmeister wandte sich von mir ab. Mir schwindelte, überwältigt von der Stärke der Feindseligkeit, die ich in seinem Blick erkannt hatte.
    Dann hob der Drachenmeister den Arm. Winkte. Forderte mich wortlos auf, seine Herausforderung anzunehmen und sein Schüler zu werden, trotz allem, was ich in seinem Blick gesehen hatte.
    Dafür war ich nicht mutig genug! Wer wäre das wohl auch? Es mit der Tradition und der Theokratie aufzunehmen, sich der Macht des Tempels zu widersetzen, dem Willen des Imperators selbst, das erforderte eine weit größere Stärke und Entschlusskraft und Unbeugsamkeit, als ich sie aufbringen konnte.
    Obgleich …
    Ich erinnerte mich.
    Mir fiel ein, was ich vor noch gar nicht so langer Zeit gelesen hatte, auf einer uralten, brüchigen Schriftrolle im Tempel Ornisak.
    … desgleichen jeder von der Chanoom-Sekte; und auch ähnliche Personen, die von heiligen Messern gereinigt wurden, dürfen, mit Einwilligung des Tempels oder des Drachenmeisters, dem Bullen dienen, falls das nötig oder erwünscht ist.
    Ich war von Gelbgesichts Messer gereinigt worden. Und in eben diesem Moment war ich von einem vom Tempel gebilligten Drachenmeister als Schüler gekürt worden, aus Gründen, die nur ihm bekannt waren.
    Also konnte ich dem Bullen dienen. Im Einklang mit dem Statut des Tempels. Und aus ebendiesem Grund vermochte ich vielleicht, letzten Endes, meinen eigenen Drachensitz zu erwerben.
    Würde ich es wagen, die Herausforderung des Drachenmeisters anzunehmen?
    Ich war hierhergekommen, Tod und Vergeltung zu suchen, nicht eine Herausforderung und das Leben.
    Dennoch …
    Von all dem, was ich in diesem Blick des Drachenmeisters erkannt hatte, stand mir ein Bildnis besonders deutlich vor Augen, und dieses Bild erfüllte mich mit dem Verlangen, über diesen Tag hinaus
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