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Auf der Suche nach Tony McKay

Auf der Suche nach Tony McKay

Titel: Auf der Suche nach Tony McKay
Autoren: Yt Genthe
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Tröstliches. Beim Rausgehen zieht mich Heiko beiseite.
    ‘Hast du morgen Mittag Zeit? Dann könnten wir uns treffen und ein Geschenk kaufen. Du kennst Britta besser als wir.’
    ‘An welche Zeit dachtest du denn - ich arbeite morgen erst ab 15:00.’
    ‘Ich bin zur Zeit in der Filiale bei dir um die Ecke, kannst du so gegen 12:00 Uhr bei mir vorbeikommen? Und Rosa Bescheid sagen?’
    ‘Geht klar, ich seh’ dich dann.’
    ‘Bis morgen,’ sagt Heiko, als sich unsere Wege im Nebel trennen.
     
    Zu Hause angekommen, merke ich erst, dass ich Hunger habe. Kein Wunder, denn ich habe seit heute Vormittag nichts mehr gegessen. Der Kühlschrank ist leer, mit Ausnahme einiger Wurzeln, ein wenig Staudensellerie und einem Topf Margarine. Ich schließe die Tür wieder, hole eine Tüte Chips aus dem Schrank und setze mich in mein dunkles Schlaf-Wohnzimmer. Durch das Fenster sehe ich die Fassade des Krankenhauses gegenüber, in dem unregelmäßig Fenster erleuchtet sind. Mein bescheidenes Gehalt aus der Nachhilfeschule reicht mit Mühe für diese Einzimmerwohnung, und in den Ferien, wenn die Schule zumacht, beantrage ich meist Hartz 4, um über die Runden zu kommen.
    Ich öffne mein Laptop, um emails zu checken. Drei neue – Amazon, die ein paar unglaublich gute Deals für mich haben, eine Klamottenfirma, bei der ich vor Jahren mal etwas online bestellt habe und die mich seitdem via email zu weiteren Einkäufen animieren und eines von Rosa. Ich lösche die beiden ersten und öffne das letzte.
    ‘Guck dir mal den Artikel in dem link an, interessante Informationen über CoffeeAllstars, R.’
    Ich klicke auf den link und lande bei einem Artikel über besagten internationalen Kaffeekonzern, der möglicherweise in Neumünster (so dieses existiert) eine Filiale eröffnet hat. In dem Artikel wird beschrieben wie der Konzern es geschafft hat, in den letzten Jahren, trotz Milliardengewinnen, genau keine Steuern zu zahlen. Keine Überraschung, der Verdacht, dass der größere Teil der Steuereinnahmen von so armen Schweinen wie Rosa und mir kommt, hat sich schon vor längerer Zeit bei mir festgesetzt. Also ein Grund mehr, weiter unsere norddeutsche Plörre zu trinken. [1]

Das Senf-gelbe Sacko
     
    Als ich die Volksbank-Filiale betrete, steht Heiko am Schalter und hilft einer älteren Dame beim Ausfüllen eines Einzahlungs-Scheins. Er schaut kurz auf, lächelt mir zu und deutet auf ein kleines Sofa neben einer vernachlässigt aussehenden Topfpflanze. Im Hintergrund bewegt sich der Filialleiter durch den Raum, das senf-gelbe Sacko komplementiert mit burgundrotem Hemd und Krawattennadel in Form eines Dollarzeichens. Der Mensch ist offenbar bemüht, kein Klischee zu vermeiden. Heiko in seinem Tweed-Jacket, dem zur Vervollständigung seines Looks eigentlich nur die Hornbrille und eine Pfeife fehlt, muss ihm ein ständiger Dorn im Auge sein.
    Als die Dame sich verabschiedet hat, nimmt Heiko seine Jacke und geht auf mich zu.
    ‘Moment mal, Herr Hansen,’ sagt das senfgelbe Sacko und tritt Heiko in den Weg, ‘wo glauben Sie, dass Sie jetzt hingehen?’
    Heiko hält inne und guckt das Sacko mit einer Mischung aus Verwirrung und einsetzender Verärgerung an. ‘Äh, ... Mittagspause?’
    Der Filialleiter fixiert ihn mit einem Anflug von Triumph, ‘Mittagspause beginnt um 12:00.’
    Heiko guckt zur Uhr – 11:55. Die Filiale ist zudem leer (an Kunden – denn wir drei existieren ja zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum).
    Das Sacko weist mit dem Daumen in Richtung Schalter. Heiko, der schon zu Schulzeiten nicht der Selbstsicherste war und dessen Selbstwertgefühl nach nahezu zehn Jahren Schalterdienst in der Volksbank den Promillewert eines Anti-Alkoholikers erreicht haben dürfte, geht wortlos zum Schalter zurück und stellt sich, Jacke in Hand, wieder auf die andere Seite. Er guckt zur Tür, dann zur Topfpflanze und als sein Blick bei mir landet, hat sein Ausdruck zu der stummen Verzweiflung noch etwas anderes angenommen – etwas schwer Definierbares, das der Verzweiflung und dem Frust eine neue Qualität zu geben scheinen. Das senfgelbe Sacko sollte sich warm anziehen.
    Die Tür geht auf und Rosa kommt herein.
    ‘Tut mir leid, aber könnt ihr auch ohne mich gehen? Harry hat mich angetextet – der will, dass ich heute Nachmittag Inventur mache.’
    ‘Kein Problem,’ sage ich, ‘Wenn wir was Gutes finden, melde ich mich bei dir.’
    ‘Hallo,’ mischt sich nun Heikos Chef in das Gespräch ein, grinst Rosa schmierig an und sagt dann zu
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