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Auf der Suche nach Tony McKay

Auf der Suche nach Tony McKay

Titel: Auf der Suche nach Tony McKay
Autoren: Yt Genthe
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Flasche auf den Tisch.
    ‘Was ist wenn Harry zurückkommt?’ will Heiko wissen und guckt zur Tür.
    ‘Unwahrscheinlich, der ist vor einer Stunde mit einer Flasche Whisky abgezogen und hat mir den Schlüssel zum Abschließen dagelassen.’
    ‘Weißt du, wenn du Geld brauchst, ich könnte dir helfen...’ sagt Heiko in Richtung Britta. Damit meint er wohl weniger, dass er sich am großen Safe der Volksbank bedienen will, als die Tatsache dass er billig bei seiner Mutter in einer Einliegerwohnung wohnt, und außer den Allergiepillen für seinen Kater keine größeren Ausgaben hat. Heiko dürfte der einzige von uns sein, der Ersparnisse und einen absolut krisensicheren Job hat, wie sich jetzt herausgestellt hat. Denn selbst wenn die Banken all ihr Geld für übertriebene Managergehälter und –bonusse ausgeben und das, was dann noch übrig bleibt in Spekulationen mit Optionen und Schuldscheinen, die so verzweigt und kompliziert sind, dass sie wohl nur von drei Leuten in der ganzen Welt durchblickt werden können, verlieren, so springt die Regierung ein und hilft mit ein paar hundert Milliarden aus, die, da in der Regierung eh niemand mehr kompetent genug ist die finanziellen Machenschaften der Banker-Mafia zu durchblicken, von ebendieser Mafia selber verteilt werden – mit anderen Worten Managergehälter steigen weiter um die zehnfache Potenz der Inflation und Bonusse gibt es auch für die Flachpfeifen, die mit ihren Spekulationen einmal mehr ein paar Milliarden verloren haben. Und wir alle sind die armen Opfer dieser Diktatur der Finanzmärkte.
     
    ‘Danke, aber ich habe gestern ein paar neue Aufträge aus Hamburg mitgebracht, damit kann ich wohl das nötigste abdecken. Gott, wie ich den Kerl hasse! Und jetzt kann ich weiter diesen Müll übersetzen, beim Gedanken daran kommt’s mir schon hoch!’
    Britta hat Englisch studiert, dann aber nicht – entgegen ihrer eigenen hohen Erwartungen – den Traumjob im Feuilleton der Zeit gelandet, sondern übersetzt nun schon seit etlichen Jahren billige Arzt- und Schmalzromane aus dem Englischen ins Deutsche. Was nicht nur schlecht bezahlt ist, sondern auf Dauer das Gehirn atrophieren lässt, wie sie vermutet. Ich halte ihr dann immer entgegen, dass das Arbeiten mit verwöhnten Gören in einer Nachhilfeschule für 10,50 Euro die Stunde auch nicht gerade die Schnellstraße zu einem Leben in Luxus oder zum Literaturnobelpreis ist.
    ‘Einen Toast,’ sage ich nun, ‘auf uns, und darauf dass wir trotz unserer miesen Jobs jeden Tag auf’s Neue aufstehen und weitermachen, obwohl kein Tag Aussicht auf Verbesserung bietet,’ und als wir alle die Gläser gehoben haben sagt Rosa mit einem Grinsen zu Heiko,
    ‘Als Bankangestellter qualifizierst du dich wohl kaum für den Club der lohnabhängig beschäftigten Versager.’
    Doch Heiko, nach mittlerweile zwei Gläsern Wein mutig genug, um sich gegen Rosas Spitzen zu behaupten, entgegnet, ‘Du hast ja keine Ahnung,’ und leert das dritte Glas zur Hälfte, ‘mein Filialchef ist ein kompletter Trottel, kann nicht mit Zahlen umgehen und hat den Posten nur, weil sein Vater und der alte Volkers zusammen Skat spielen. Ich steh’ den ganzen Tag am Schalter und mach da Sachen, die einen Zehnjährigen intellektuell unterfordern, hab’ null Aufstiegschancen, und selbst wenn ich welche hätte, bin ich mir nicht sicher, ob ich bei dem Verein überhaupt mitmachen will...’
    Wir anderen tauschen einen Blick aus. Heikos Offenbarung kommt ein wenig als Überraschung, denn von uns vieren hat er nicht nur den sichersten, sondern mit Abstand auch den bestbezahlten Job. Ich dachte immer, er wäre relativ zufrieden mit seinem Leben, samt krisensicherer Anstellung, imaginärer Freundin und Einliegerwohnung. So kann man sich täuschen. Andererseits, wenn dem wirklich so wäre, warum würde er dann mit uns herumhängen?
    ‘Klingt aber doch irgendwie egoistisch,’ meint Rosa ‘alle Gründe, die du anführst haben nur mit dir und deinem Empfinden zu tun. Wie wär’s denn mal mit ein paar treffenderen Argumenten wie zum Beispiel, dass die Banken für die augenblickliche Weltwirtschaftskrise verantwortlich sind, hunderttausende ihren Job und ihre Häuser verloren haben, weil die Banker zu gierig waren? Aus Prinzip sollte einem so ein Job zuwider sein, weil man es moralisch nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, Teil einer Korporation zu sein, die im Vergleich Graf Dracula so niedlich wie Garfield erscheinen lässt ... und nicht weil man sich
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