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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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beraten, sich schuldig zu bekennen und es mir zu überlassen, eine möglichst geringe Strafe auszuhandeln.«
    Perri schwieg.
    Mit belegter Stimme fragte Dee: »Und wo wird sie einsitzen?«, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Wahrscheinlich in Cotsworth. Das Übliche für die Ostküste.«
    Cotsworth. Ein verrufenes Gefängnis. Dee war zwar noch nie in seinem Innern gewesen, aber das war gar nicht nötig. Sie hatte genügend ähnliche Institutionen zu Gesicht bekommen. Es war zwar nicht so schlimm wie die schlimmsten Männergefängnisse – das waren Frauengefängnisse nie –, aber ein Mädchen, das aussah wie Perri … das so war wie Perri …
    »Na gut, Eliot«, sagte Perri. »Wenn Sie meinen, ich sollte mich schuldig bekennen, dann werde ich es tun.«
    Schrankenloses Vertrauen, nachdem sie ihn eine halbe Stunde kannte … Genau so, wie sie in diese ganze Sache hineingeraten war, erst mit »Carl« und dann mit »Mike«. Sie würde niemals dazulernen.
    Eliot sagte: »Ich werde alles für Sie tun, was in meiner Macht liegt, Perri.«
    Ein schwaches Lächeln, aber die umwerfenden blaugrünen Augen funkelten. »Ich weiß. Ich verlasse mich auf Sie.«
     
    Dee war nicht Perri. Sie sondierte, prüfte, reduzierte auf das Wesentliche. »Und was ist, wenn das FBI ›Mike‹ findet?«
    »Sie werden Mike nicht finden«, stellte Eliot fest. Sie standen am U-Bahn-Eingang und machten sich gefasst auf den höllischen Abstieg nach unten. Eliot wollte in sein Büro in Brooklyn, Dee nach Queens. »Herrgott, wenn jemandem klar sein muss, dass sie Mike nicht finden werden, dann bist du es! Die Abteilung für Gentechnik-Delikte beim FBI ist doch mit Arbeit bis obenhin eingedeckt, sie haben zu wenig Personal, und Perri ist ein so kleiner Fisch, dass sie wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise nach Mike suchen werden!«
    »Aber das Schiff klingt nicht gerade nach einem kleinen Fisch.«
    »Vermutlich ist das FBI nicht einmal davon überzeugt, dass das Schiff überhaupt existiert. Perri wäre nicht die erste Verdächtige, die falsche Angaben macht.«
    »Glaubst du, dass sie das tut?«
    »Nein«, antwortete Eliot. »Ich glaube, sie sagt die reine Wahrheit. Ich glaube, dass sie eine von der ganz seltenen Sorte ist, ein Mensch, der unfähig ist zu lügen. Was ich nicht glaube, ist, dass das FBI oder der Staatsanwalt ebenso denken. Dafür werden sie schließlich nicht bezahlt.«
    »Und du meinst, das Schiff existiert?«, beharrte Dee.
    »Ja. Es gibt Dutzende, ja Hunderte davon dort draußen in internationalen Gewässern, wo man schwer etwas gegen sie unternehmen kann. Dort wird einfach alles genmanipuliert, von Insekten vertilgenden superertragreichen Getreidesorten für Idealisten, die die Welt vor dem Hungertod retten wollen, bis hin zu Insekten vertilgenden superertragreichen Getreidesorten für Profitmacher, die die Welt beherrschen wollen. Und die es überhaupt nicht kratzt, wenn sie als Begleiterscheinung die komplette Reisernte irgendeines Entwicklungslandes vernichten. O ja, Perris Schiff ist schon irgendwo da draußen, zusammen mit ›Mike‹ am Ruder. Obwohl mir ein bisschen schleierhaft ist, wieso er nebenher auch noch Abtreibungen durchführt. Aber diesen ganzen Aspekt werde ich beim Staatsanwalt ein wenig herunterspielen. Er lässt Perri irgendwie leichtfertig erscheinen.«
    »Sie ist leichtfertig.«
    »Manchmal ist das, was wie Leichtfertigkeit aussieht, einfach nur kindliche Unschuld.«
    Aha, also sind wir wieder einmal soweit, dachte Dee. Aber falls eine lächerliche Verliebtheit Eliots Arbeitseifer für Perri steigerte, dann sollte der arme Narr nur verliebt sein.
    Es war eine Ironie. In Perris Kindheit war sie, Dee, stets die einzige ›Mutter‹ gewesen, die ihre Kleine nicht allein im Bus fahren ließ, nicht allein von der Schule heimgehen ließ, nicht allein ins Stadtzentrum ließ, denn im Gegensatz zu den anderen Müttern hatte Dee als Polizistin genau gewusst, was da draußen auf den Straßen lauerte. Und nun, als Erwachsene, setzte Perri sich weitaus öfter in die Nesseln als all ihre Freunde aus der Kindheit …
    »Also glaubst du nicht, dass die Behörden nach ›Mike‹ suchen werden«, sagte Dee. »Und du wirst es auch nicht tun, obwohl es helfen könnte, Perri zu entlasten.«
    »Eine solche Suche kann ich mir nicht leisten«, sagte Eliot gerade heraus. »Kannst du’s?«
    »Nein«, sagte Dee.
    »Außerdem wird der Fall sicherlich in weniger als einer Woche verhandelt. Diese geringfügigen Sachen wollen sie
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