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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Missgeschicke hatten eine kindlich-naive Note, die dem Adams mit seinem falschen Glanz und seinem realen Sadismus völlig fremd war. Perri kam zwar durch eigene Leichtfertigkeit in die Bredouille, aber Grausamkeit war ihr fremd. Als Betsy ihren Auftritt beendete, schmierte sie das Blut eines toten Affen über die Bühne und über ihren nackten Körper.
    Dee schickte Betsy eine Nachricht hinter die Bühne, und der Rausschmeißer ließ sie durch. Betsy stand in einem Wasserbecken und spülte das Blut ab. »Hallo! Bin in einer Minute fertig!«
    »Danke, dass ich herkommen durfte.«
    Hinter der Bühne und angezogen sah Betsy Jefferson noch älter und viel müder aus. »Perri hat viel über Sie gesprochen. Sie waren immer ein Vorbild für sie. Arbeiten Sie immer noch mit obdachlosen Kindern?«
    Da hatte Perri doch wahrhaftig einmal Diskretion bewiesen! Dee war ihr zutiefst dankbar dafür. »Ja. Aber ich bin wegen Perri gekommen. Sie wissen sicher, dass sie wegen einer GVGM-Sache verhaftet wurde.«
    »Ja.« Betsy wich Dees Blick aus. »Hab’ ich gehört.«
    »Sie ist verschwunden. Ist einem Vollzugsbeamten der Bundesbehörde ausgerissen. Nachdem sie ihn an sich rangelassen hatte.«
    Betsy lächelte. »Ach ja? Tüchtiges Mädchen.«
    »Finde ich auch. Aber ich mache mir Sorgen um sie, weil sie völlig pleite ist. Ich möchte ihr Geld zukommen lassen, damit sie gut gerüstet und bei Kasse ist, wenn sie sich in den Untergrund verzieht.«
    Betsy nickte. »Sie sagte mir, dass Sie sich immer um sie gekümmert haben.«
    »Und das werde ich auch weiterhin tun. Wissen Sie, wo ich sie finden könnte? Ist sie hier irgendwo aufgetaucht? Am Strand?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Dann wissen Sie vielleicht, wo ich ›Mike‹ finden kann? Den Typ, der ihr die Abtreibung auf dem Schiff verschafft hat?«
    »Ach, sie hat Ihnen davon erzählt?«
    »Perri erzählt mir alles«, erklärte Dee. »Sie weiß, dass ich es nur gut mit ihr meine.«
    »Ja, hat sie gesagt. Und eins sehen Sie völlig richtig: Ohne Geld hat sie hier kein langes Leben.«
    »Hab ich mir auch gedacht.«
    Betsy sah Dee scharf an. Die Sorge um Perri brauchte Dee nicht zu heucheln. Unvermutet sagte Betsy: »Perri hat nie in so ’nem Schuppen gearbeitet, wissen Sie.«
    Dee schwieg.
    »Brauchte sie auch nicht, so wie sie aussah. Aber sie hätte es wohl in keinem Fall getan. Ich sagte ihr, sie sollte zu Ihnen zurückgehen und zusehen, dass sie zu einem ordentlichen Leben kommt.«
    »Danke. Schade, dass sie es sich nicht zu Herzen genommen hat«, sagte Dee. Zum ersten Mal erkannte sie, warum Perri Betsy vertraut hatte, erkannte sie, was in ihrem alternden Gegenüber nicht vollständig abgetötet war. Dee fragte sich, ob Betsy je eigene Kinder gehabt hatte. Für wen war Perri ein Ersatz gewesen?
    »Mike werden Sie nicht finden, Dee. Außer er will Sie finden.«
    »Könnten Sie etwas dazu beitragen, Betsy?«
    »Möglich.«
    »Ich möchte wirklich, dass Perri das Geld bekommt. Es ist ziemlich viel. Mein ganzes Erspartes.«
    »Wo wohnen Sie?«
    Dee sagte es ihr und Betsy verzog das Gesicht. »Okay. Fahren Sie zurück nach Queens.«
    »Zurück nach Queens?«
    »Hören Sie«, sagte Betsy, »Sie kennen sich nicht aus in diesem Geschäft. Mike ist nicht mehr hier, nicht, nachdem Perri geschnappt wurde. Perri ist auch nicht hier, sonst hätte ich davon gehört. Die Leute wissen, dass ich mich nach ihr umgesehen habe. Aber ich kenne Mike, und Mike kennt viele Leute, und die Leute kommen rum. Geben Sie mir Ihre Adresse in Queens und fahren Sie heim.«
    Sie hatte es vermasselt. Der erste Kontakt hier am Strand, und schon hatte sie sich jede Möglichkeit zu weiteren Kontakten verbaut. Und sollte sie nicht zurückfahren nach Queens, würde Betsy es erfahren und sich nach dem Grund fragen. Es würde sich schneller herumsprechen, als man schauen konnte. Und niemand würde mehr mit Dee reden. Niemand.
    »Vielen Dank«, sagte sie zum Abschied und lächelte.
     
    Bei der Urteilsverkündung stand Perri aschfahl, aber ohne zu weinen, vor ihren Richtern. Sie trug einen losen grauen Gefängnis-Overall, der so oft gewaschen worden war, dass das alte Gewebe sich schlapp um ihren Körper legte. Mit ihrem unfrisierten Haar sah sie seltsam jungfräulich aus – eine Unschuld in Bedrängnis. Dee, das einzige Publikum im Saal, krallte die Finger so krampfhaft in das uralte Holz der Barriere, dass sich der weggekratzte fettige Schmutz unter ihren Fingernägeln sammelte. Die Klimaanlage im Verhandlungssaal
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