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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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die Tötung emotional zurückzunehmen, indem er die Verletzungen mit einem Tuch abdeckte und der Toten die Hände vor der Brust verschränkte. Das Abdecken von Gesicht und Blutspuren weist ebenfalls auf das Bedürfnis hin, die Tat ungeschehen zu machen. Entsprechend lautet der Fachbegriff dafür emotionale Wiedergutmachung oder Undoing. Oft gesellt sich zu diesem personifizierenden Verhalten bei reuigen Tätern die Rücksicht gegenüber dem Finder der Leiche: Er oder sie soll beim Betreten des Zimmers nicht erschrecken, nicht gleich bemerken, dass hier ein Mensch getötet wurde.
    Der Täter musste eine nähere Beziehung zu dem Opfer haben. Und so war es auch hier. Sarah Klein war von ihrem früheren Intimpartner Wilhelm Raabe getötet worden. Die Ermittlungen ergaben, dass die beiden vier Jahre lang in einer harmonischen Beziehung gelebt hatten. Wieder war der Hintergrund eine Trennungsgeschichte:
    Den Mann stört es nicht, dass Sarah Klein Mutter eines sechsjährigen Sohnes ist. Knapp ein Jahr nach dem Kennenlernen wird die gemeinsame Tochter geboren – ein Wunschkind. Fortan lebt das Paar im selben Haus, allerdings in getrennten, einander gegenüberliegenden Wohnungen.
    Nach einer Mutter-Kind-Kur beginnt Sarah Klein das Verhalten ihres Freundes kritisch zu sehen: Auf einmal stört es sie, dass er sich den ganzen Tag in ihrer Wohnung aufhält und in den Tag hineinlebt. Als sie ihn darauf anspricht, versteht er sie nicht – findet alles in Ordnung. Als Wilhelm Raabe weiterhin lethargisch bleibt, beendet sie die Beziehung. Er aber kann und will ihre Entscheidung nicht akzeptieren und nutzt stattdessen jede sich bietende Gelegenheit, der früheren Partnerin und den Kindern nahe zu sein. Sie wiederum lässt dies zu, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sein Babysitten ihr zusätzliche Freiräume verschafft. Trotz seiner Bemühungen und sogar gelegentlicher sexueller Kontakte nimmt sie die Trennung nicht zurück, lässt stattdessen das Schloss ihrer Wohnungstür auswechseln und öffnet sich neuen Männerbekanntschaften.
    Wilhelm Raabe weiß Sarah Kleins Verhalten nicht einzuordnen. Er verwechselt die pragmatische Nähe ihrerseits mit Zuneigung und hofft weiterhin auf eine zweite Chance. Mit der Zeit wird der geistig eher unbewegliche und ohnehin schweigsame Mann noch stiller und verschlossener, gleichzeitig versucht er seine Sprachlosigkeit durch ständige Liebesbeweise zu kompensieren. Er intensiviert die Kontakte zu den beiden Kindern, macht Sarah Klein Geschenke, ruft sie ständig an und tippt Gedichte aus dem Internet ab (die wir später auf der Festplatte seines Rechners fanden). Zudem sendet er ihr eine SMS nach der anderen und überreicht ihr immer wieder mit ungelenker Schrift geschriebene Liebeserklärungen:
Liebe Süsse Sarah,
Ich moss dir Sarah noch ein Brief schreiben, weil ich nicht anders kann als die Sarah einen Brief zu schreiben und weil ich dich Sarah würklich noch liebe.
Ich weiß das ich dich Sarah nicht betränen soll. Aber ich moß die frage die ich dir Sarah schon einmal gestellt habe noch einmal stellen.
Kannst du Sarah mir Bitte Bitte nicht doch noch Eine aller leste Chance
    Gleichzeitig verschlechtert sich Wilhelm Raabes mentaler Zustand. Er leidet unter psychosomatischen Störungen: kann nicht schlafen und hat starkes Händezittern. Er begibt sich in ärztliche Behandlung, nimmt Beruhigungsmittel und Schlafmittel ein.
    Als Sarah Klein ihn eines Tages nach einem Streit auffordert, ihre Wohnung zu verlassen, wird er handgreiflich und würgt sie. Sein zufällig in der Wohnung anwesender Bruder verhindert eine weitere Eskalation und wirft ihn aus der Wohnung.
    Als Wilhelm Raabe kurze Zeit später von Nachbarn erfährt, dass Sarah Klein nachts Männerbesuch empfangen haben soll, verändert sich sein Verhalten abrupt: aus der Suche nach Anerkennung und Nähe wird zwanghaftes Kontrollverhalten. Fortan beäugt er Sarah Klein auf Schritt und Tritt und lauert ihren Besuchern auf. Zudem hält er ihr das in seinen Augen »ungebührliche« Leben vor, und seine Wutausbrüche häufen sich. Trotzdem betreut er die beiden Kinder weiterhin ganztägig, wofür sie ihm auch wieder einen Wohnungsschlüssel gibt.
    Am Tattag kümmert sich Wilhelm Raabe wie üblich um die Kinder. Als Sarah Klein gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause kommt, trinken sie gemeinsam in ihrer Wohnung Kaffee. Dann begleitet er die Kinder zum Spielplatz, isst mit ihnen bei sich zu Abend und bringt die Kinder gegen 19 Uhr in der Wohnung ihrer
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