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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Autoren: Axel Petermann
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Mutter zu Bett. Zu dieser Zeit schläft Sarah Klein bereits auf dem Sofa. Wilhelm Raabe verlässt die Wohnung, kehrt allerdings gegen 22 Uhr noch einmal zurück. Sarah Klein ist in der Zwischenzeit wach geworden, hat den Schlafplatz gewechselt und liegt jetzt in ihrem Bett. Er sieht, dass sie nur eine Bluse trägt, und wertet dies, wie er später in seiner Aussage erklärte, als Aufforderung, sich zu ihr ins Bett zu legen und mit ihr intim zu werden. Kurze Zeit später kommt es zu Streit, der nach Sekunden eskaliert und für Sarah Klein ein tödliches Ende nimmt.
    In seiner Vernehmung behauptete Wilhelm Raabe, seine ehemalige Partnerin habe ihn mit einem neben dem Bett liegenden Messer angegriffen und auf ihn einstechen wollen. Da habe er ihr ohne zu überlegen das Messer entrissen und spontan und unkontrolliert auf sie eingestochen und sie gewürgt. An sein darauf folgendes Verhalten, und warum er den Tatort veränderte, konnte er sich angeblich nicht erinnern. Seine bewusste Wahrnehmung habe erst wieder eingesetzt, als er ein Taxi bestellt, um zum Flughafen zu fahren und von dort per Nachtflug auf eine Baleareninsel zu flüchten. Das Geld für die Flucht stiehlt er aus einer Kassette der Toten. Als es nicht reicht, stellt er sich der Polizei.
    Nach Jahren suchte ich Wilhelm Raabe im Gefängnis auf, wo er wegen des Totschlags im Affekt eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verbüßt. Ich bat ihn, mit mir über sein Nachtatverhalten zu sprechen. Wie bei seiner Vernehmung blieb er zunächst einsilbig und sah mich misstrauisch an. Doch bei meinem zweiten Besuch legte er allmählich seine Zurückhaltung ab und versicherte mir fast euphorisch und verklärt, dass er Sarah Klein immer noch liebe. Die Beschreibung seiner Gefühle wirkte auf mich wie eine wahnhaft ausgeprägte Liebe zu einem nicht erreichbaren Menschen. Fachbegriff: Liebeswahn oder Erotomanie.
    Trotz seiner leidenschaftlichen Ausführungen ging Wilhelm Raabe nur sehr vage auf die Gründe für sein emotionales Nachtatverhalten ein. Es war durchaus vorstellbar, dass er sie selbst nicht besser kannte. Doch dann auf einmal bröckelte die Mauer des Unbewussten. Oder hatte er nur sein Misstrauen aufgegeben? Es sei »gut möglich, dass er nach der Tat Bestürzung empfunden und Sarah Kleins Wunden, ihren Körper sowie die Blutspuren aus Reue abgedeckt« habe. Dabei beließ ich es und stellte meine Besuche ein.
    Für einen Mord, bei dem Opfer und Täter Intimpartner waren, gibt es einen Namen: Intimizid . Die fünf soeben beschriebenen Fälle sind im Detail sehr unterschiedlich, haben jedoch eines gemeinsam:
    Der Täter ist ein Mann.
    Und das liegt keineswegs an einer einseitigen, männerfeindlichen Auswahl. Pauschal gilt: Gewalt-und Tötungsdelikte sind Männersache. Nicht nur die Statistik ist hier eindeutig, auch die kriminalistische Erfahrung zeigt: In neun von zehn Tötungsfällen sind die Täter Männer. Und wenn Männer töten, dann sind mehrheitlich auch die Opfer männlich. Männer töten Männer – so einfach ist es aber auch wieder nicht. Das Bild ändert sich nämlich, sobald man sich die Beziehung zwischen Tätern und ihren Opfern näher betrachtet. Während Männer in der Regel durch Fremde oder flüchtige Bekannte getötet werden, finden Tötungsdelikte an Frauen überwiegend im engen familiären oder partnerschaftlichen Umfeld statt.
    Das heißt für die Frauen: Allein der Umstand, in einer Beziehung zu leben oder gelebt zu haben, birgt für sie das größte Risiko, zu irgendeinem Zeitpunkt vom Partner oder Ex-Partner getötet zu werden.
    Dabei ist die Trennungsphase für alle Frauen eine besonders gefährliche Zeit – es gibt wohl kaum eine Zeit, in der ihr Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, so hoch ist wie nach einer Trennung. Immer wieder sehen wir Fälle, in denen auch bis dahin völlig unauffällige, friedfertige Männer durch die Trennung dermaßen die Kontrolle verlieren, dass sie zum letzten Mittel Gewalt greifen. In anderen Fällen ist Gewalt in der Beziehung gerade der Trennungsgrund: Dass diese Männer ihre gewalttätigen Besitzansprüche auch nach der Trennung fortsetzen, häufig sogar steigern, verwundert nicht.
    Diese Gewalt muss nicht zwangsläufig tödlich enden – in vielen Fällen tut sie es aber eben doch. Über die Hälfte aller Intimizide ereignet sich vor dem Hintergrund von Trennungskonflikten, wobei die ersten drei Trennungsmonate besonders kritisch sind.
    Aber warum töten Männer die Frau, mit der
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