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Auf den Flügeln der Sehnsucht

Auf den Flügeln der Sehnsucht

Titel: Auf den Flügeln der Sehnsucht
Autoren: Stefanie Burgemeister
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kommt zu sich, Vater." Lena sprang auf und holte den Arzt. "Er hat die Augen aufgemacht. Er kommt zu sich. Jetzt ist er über dem Berg, nicht wahr, Herr Doktor?"
       Eilig trat der Arzt ans Bett, kontrollierte den Monitor und die anderen Apparaturen, dann griff er nach der Hand des Patienten. "Herr Baumann, können Sie mich hören? Wenn Sie nicht antworten können, dann blinzeln Sie mit den Augen."
       Der Patient bewegte die Lippen, doch noch war kein Ton zu hören.
       "Josef... Sepp... Bub... so sag doch etwas", bat Martin Baumann verzweifelt. "So rede doch mit mir."
       Die eindringliche Stimme seines Vaters holte Josef in die Wirklichkeit zurück. Seine Augen suchten die des Bauern. "Vater..." sagte er heiser, doch es war gut zu verstehen .“Dass ich dich noch einmal sehen kann, Vater..." Er leckte sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
       Der Arzt entfernte sich, um etwas zu trinken zu holen für den Schwerstverletzten, obwohl er wusste, dass er es nicht mehr schlucken konnte. Aber wenigstens die Illusion wollte er ihm erhalten und ihm wenigstens die Lippen anfeuchten, um ihm ein wenig Erleichterung zu verschaffen.
       "Du auch, Lena?" Jetzt versuchte Josef sogar ein Grinsen, das jedoch nur ein klägliches Lächeln wurde. "Da hab ich die ganze Familie aufgemischt. Aber ich bin unschuldig, das musst du mir glauben, Lena. Ich wollte keine Rauferei, aber der Franz hat keine Ruhe gegeben."
       "Wir glauben dir doch, Bub." Beruhigend legte der Vater eine Hand auf die seines Sohnes. "Jetzt musst aber schlafen, damit du rasch wieder auf die Beine kommst. Der Hof braucht dich, und ich... mag auch nicht allein da wohnen bleiben", fügte er noch verschämt hinzu.
       "Geh du mit ihm, Leni." Josefs Stimme war kaum mehr ein Hauch. "Jetzt bist du gefordert. Mach es besser als ich und enttäusch den Vater nicht. Er braucht dich."
       "Rede nicht so daher, Sepp", tadelte Lena ihren Bruder, obwohl sie kaum mehr sprechen konnte. Instinktiv fühlte sie, dass es mit ihm zu Ende ging. "Bald bist wieder auf den Beinen. Du weißt doch, dass ich in der Stadt leben möchte."
       "Das hast dir immer nur eingeredet. Du bist ein Madl aus den Bergen und wirst es immer bleiben. Bitte, Leni, lass den Vater nicht im Stich. Sorg für ihn... ich kann es nimmer." Noch einmal umfasste sein Blick liebevoll die beiden einzigen Menschen, die er auf dieser Welt hatte. Dann fielen ihm die Augen zu, und noch ehe der Arzt kam zeigte ein gerader Strich auf dem Monitor und ein gleichmäßiger Pfeifton an, dass Josef Baumann eben gestorben war.
       Mit ihm starben auch Lenas Pläne, die sie für ihr Leben gemacht hatte.
     
    * * *
     
       Es war ein sonniger Nachmittag, als man Tina Groß zu Grabe trug. Fast das ganze Dorf war auf den Beinen. Fautshau, ein kleiner Ort im Allgäu, legte noch Wert auf Zusammenhalt und Freundschaft, und wenn ein Mensch aus ihrer Mitte gerissen wurde, dann begleitete man ihn auf seinem letzten Weg, das war ungeschriebenes Gesetz.
       Ein langer Trauerzug ging hinter dem Sarg her, der von vier schwarz gekleideten Trägern auf einem mit schwarzem Tuch geschmückten Wagen den Weg entlang geschoben wurde. Der Posaunenchor des Ortes gab sein Letztes, das Lied, das sie bliesen, klang mindestens so falsch wie traurig. Doch das war bei Beerdigungen so üblich.
       Ein Mann folgte dem Sarg als Erster. Er hielt den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet. Eine junge Frau ging neben ihm, die sich immer wieder Tränen von den Wangen wischte, die sie einfach nicht aufhalten konnte.
       "Gib mir deine Hand, Moni", flüsterte der Mann ihr zu. "Wir werden es gemeinsam durchstehen."
       Sofort kam die hübsche blonde Frau, die jüngere Schwester der Verstorbenen, seiner Aufforderung nach. Und wenig später waren ihre Tränen tatsächlich versiegt. Dann wurde der Sarg vom Wagen gehoben und zum Grab gebracht. Als er hinuntergelassen wurde, hatte auch der Mann große Mühe, die Fassung zu bewahren.
       Jetzt war es seine Begleiterin, Monika, die ihm mit einem vertrauten Händedruck Trost spendete. "Wir schaffen es, Werner", flüsterte sie ihm zu. "Tina hätte es nicht anders gewollt."
       Der Pfarrer sprach noch einige ergreifende Worte, dann zogen die Dorfbewohner am offenen Grab vorbei, um der Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Die meisten von ihnen hatten eigene Blumen mitgebracht, die sie nun auf den Sarg hinunter warfen. Die beiden Wagen mit kleinen Sträußchen, die der Gärtner da
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