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Auf den Flügeln der Sehnsucht

Auf den Flügeln der Sehnsucht

Titel: Auf den Flügeln der Sehnsucht
Autoren: Stefanie Burgemeister
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ich bezweifle, dass Sie zu ihm können."
       "Danke." Lena lief zu der Tür, die zum Treppenhaus führte. Um mit dem Aufzug zu fahren, dazu war sie im Moment viel zu nervös.
       Es war nicht schwierig, die Intensivstation zu finden. Ein großes Schild wies den Weg dahin. Lena läutete an der Klingel, die für Besucher bestimmt war, dann wurde wenig später die ziemlich große Tür zur Seite geschoben. Ein freundlicher Mann in grünem Kittel und grünem Häubchen fragte nach ihren Wünschen.
       "Sie können kurz zu Ihrem Bruder. Ihr Vater ist ebenfalls anwesend. Bitte gehen Sie durch die zweite Tür. An der Wand ist eine Tafel, auf der steht, was Sie zu tun haben, und auf dem kleinen Tischchen neben der Tür liegen die Kleidungsstücke, die Sie anziehen müssen." Der Krankenpfleger zog sich wieder zurück.
       Immer deutlicher wurde Lena bewusst, wie ernst die Lage war. Mit zitternden Händen zog sie die sterile Kleidung über, dann durfte sie, nachdem sie sich auch noch die Hände mit antiseptischer Lösung gewaschen hatte, eintreten.
      Neben einem der Betten, die nur durch einen grünen Vorhang voneinander getrennt waren, erkannte sie den Vater, der zusammengesunken auf einem Hocker saß. Josef hatte einen dicken Kopfverband, der gerade so Augen, Nase und Mund frei ließ. Er lag reglos da, schien bewusstlos zu sein.
       "Vater." Sanft legte Lena eine Hand auf die Schulter des Mannes. "Wie geht es ihm, Vater?"
       Ganz langsam blickte der Bauer auf. "Es... gibt kaum mehr eine Hoffnung", antwortete er mit einer Stimme, die unendlich fremd und wie zerbrochenes Glas klang. "Bist gerade rechtzeitig gekommen, um dich von ihm zu verabschieden."
       "Sag so etwas nicht, Vater", bat die junge Frau unglücklich und blickte auf den Monitor, der die Lebensfunktionen des Bruders überwachte. "Was sagt denn der Doktor?"
      "Ich hab heut noch keinen gesehen."
      "Dann werde ich ihn suchen gehen. Er kann ja nicht weit sein." Sie wandte sich um und erblickte sofort den Arzt, der sich gerade flüsternd mit einer der Schwestern unterhielt. Lena wartete, bis sie sah, dass der Arzt ausgeredet hatte, dann ging sie zielstrebig auf ihn zu. "Kann ich Sie etwas fragen?"
       Der Mann nickte. "Wer sind Sie?"
       Lena stellte sich vor. "Wie groß ist die Chance, die mein Bruder noch hat, wieder auf die Beine zu kommen?"
       "Maximal zehn Prozent", antwortete der Doktor sofort. "Ich... es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann. Doch es macht auch keinen Sinn, wenn ich falsche Hoffnungen in Ihnen wecke, die sich eigentlich gar nicht erfüllen können."
       "Danke." Lena kämpfte mit den Tränen. Dann hatte der Vater also nicht übertrieben. "Und wann wird es sich entscheiden, ob..."
       "Das ist sehr schwer zu sagen, Frau Baumann. Es kann in den nächsten Minuten sein, es kann aber auch noch Stunden oder gar Tage dauern. Eine so schwere Kopfverletzung ist immer so eine Sache. Ihr Bruder hat eine Bärennatur, deshalb die zehn Prozent. Ein Mann mit anderer Konstitution wäre längst tot."
       Lena dankte dem Doktor noch einmal, dann ging sie zu ihrem Vater zurück. Sie nahm einen Hocker und setzte sich an die andere Seite des Bettes. Unglücklich griff sie nach der Hand des Bruders, in der eine Kanüle steckte, durch die ununterbrochen eine klare Flüssigkeit tropfte.
       "Vielleicht schafft er es", sagte sie leise und versuchte, aufmunternd zu wirken. Wie gern hätte sie dem Vater Mut gemacht, ihn aufgerichtet. Doch ihr fehlten die Worte, denn sie wusste es besser. Josefs Kampf war fast schon verloren.
       "Ich hab ihn gewarnt", begann der Bauer unvermittelt und schüttelte den Kopf. "Dabei hab ich ihm gesagt, dass ich eine schlimme Ahnung hab. Doch er wollte einfach nicht hören. Und jetzt ist es passiert. Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen."
       "Du kannst nichts dafür, Vater. Alle wissen, dass Josef ein Draufgänger war. Er hat keine Rauferei ausgelassen. Er wollte sich halt die Hörner abstoßen, ehe er in einen ruhigeren Hafen einläuft. Doch dich trifft gewiss keine Schuld, Vater, das weiß ich ganz sicher."
       Der alte Bauer hielt den Kopf gesenkt. Er starrte auf seine Schuhspitzen, ohne sie überhaupt wahrzunehmen. "Anbinden hätte ich ihn sollen", murmelte er vor sich hin. "Einfach anbinden."
       In diesem Moment öffnete Josef Baumann die Augen. Verwirrt starrte er Lena an, ohne sie wahrzunehmen. Das konnte man an dem leeren Blick seiner hellen Augen erkennen.
       "Er
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