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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Autoren: Alexander Unzicker
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fünfhundert Millionen astronomischen Objekten. Die aus den Rohdaten aufbereiteten physikalischen Eigenschaften sind über das Netz zugänglich, und jedem Forscher, der eine alternative Kosmologie entwerfen will, steht es frei, sie anhand dieser Daten zu überprüfen. Immerhin. Wenn auch die Rohdaten noch nicht komplett zugänglich sind, so doch die Resultate in neutraler Form, ohne jegliche Interpretation – aber nur so kann Big Science auf Dauer reproduzierbar sein.
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    Theorien scheitern, gute Beobachtungen vergehen nie. – Harlow Shapley, amerikanischer Astronom
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    Die Hochenergiephysik tut sich damit wahrscheinlich schwer, aber es geht nicht anders: Die Rohdaten der Teilchenkollisionen sollten nur so weit aufbereitet werden, bis das Ergebnis in elementarer Form vorliegt: Wann und wo wurde in welchem Detektor wie viel Energie abgegeben? Basta. Und diese Daten müssen zugänglich sein. Es steht den Forschern ja frei, weitere Zwischenstufen zu berechnen: Handelte es sich bei den Teilchen, die ihre Energie im Detektor verloren haben, um Photonen, Neutronen, Myonen oder Neutrinos? Wer will, kann dann damit arbeiten oder auch erst nach einem weiteren Schritt von Simulationen und Filterungen. Aber vielleicht wollen nicht alle. Die Kollision selbst mag ja hochinteressant sein, aber die Auswertung im Schema von Charm-Zerfallskanälen und Neutrino-Mischungswinkeln macht sie für den wertlos, der diese Konzepte für einen Irrweg hält. Es kann doch nicht sein, dass der ganzen Welt von den Auswertern vorgeschrieben wird, was interessant ist. Wichtig wäre also, dass jeder Zwischenschritt zum Einstieg offen ist und dass jeder das Ergebnis nur mit den Modellannahmen interpretieren kann, von denen er auch überzeugt ist.
NACHHALTIGE WISSENSCHAFT MIT DEM GLÄSERNEN EXPERIMENT
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    Man muss das Unmögliche verlangen, um das Mögliche zu erreichen. – Otto von Bismarck
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    Ich habe mir sagen lassen, diese Idee sei naiv und vollkommen undurchführbar – bei der Datenmenge und dem Aufwand könne man das vergessen. Schön. Dann muss man eben kleinere Brötchen backen. Warum werden nicht die Daten von Experimenten mit überschaubarem Umfang ins Netz gestellt? Es gibt dazu zwar Bemühungen, 270 nützlich für die wissenschaftliche Öffentlichkeit wie in der Astronomie sind sie aber nicht. Nicht einmal den riesigen Datenschatz des 2011 geschlossenen Tevatron am Fermilab hebt man ordentlich auf. 271
    Wenn Sie also die öffentliche Verfügbarkeit der Daten einfordern, die Sie als Steuerzahler finanziert haben, tun Sie auch der Physik etwas Gutes. Auch von kleineren Beschleunigern sind die Daten nicht zugänglich, nicht einmal von vergleichsweise winzigen Aufbauten aus den 1950er oder 1960er Jahren. Warum ist Douglas Hofstadters Experiment zur Elektron-Proton-Streuung nicht im Deutschen Museum? Warum kann man die Rohdaten des Myon-Neutrino-Nachweises nicht von der Homepage der Cornell-Universität herunterladen, an der sie aufgenommen wurden? Im Vergleich zur Astrophysik benimmt sich die Hochenergiephysik so, als würde man Fotografien von Galaxien in Schubladen aufbewahren. Willkommen im 21. Jahrhundert.
    Es wäre kein Problem, die Rohdaten der großen unterirdischen Detektor-Experimente online zu stellen, etwa jene im Gran Sasso, aber niemand hält das für notwendig. Gelegentlich hört manauch dort das zu kurz gedachte Argument, nur die lokalen Experten verstünden es, die Daten ordentlich zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das mag für rein instrumentelle Justierungen zutreffen, aber schon nicht mehr für das Herausfiltern eines störenden Hintergrundsignals und erst recht nicht für eine Interpretation, die ein neues Teilchen zum Ergebnis hat.
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    Der Forscher ist frei und muss frei sein, jede Frage zu stellen, jede Behauptung anzuzweifeln, für alles Belege einzufordern, jeden Fehler zu korrigieren. – Robert Oppenheimer, amerikanischer Physiker
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    Und überhaupt: Kein echter Forscher fürchtet sich vor Offenheit. [85] Diese einzufordern, hat nichts mit einer Verschwörungstheorie zu tun, denn die Kollaborationen geben sich alle Mühe, ihre Daten korrekt auszuwerten. Aber fehlende Transparenz ist auch ohne bösen Willen schädlich – also muss man alle Daten und Auswertungsschritte so offenlegen, dass jeder interessierte Wissenschaftler daran teilhaben kann. Nur so wird die Physik ihre seit Galilei erfolgreiche Methode der Reproduzierbarkeit wiedererlangen und vielleicht aus der
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