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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Autoren: Alexander Unzicker
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Neugier entdeckte? So könnten Beschleuniger, Raumsonden, Präzisionsmessgeräte eine gewaltige Zukunftsinvestition für die Menschheit sein, sind aber dennoch in Gefahr, als Strohfeuer der Forschungsmoden zu enden. Denn Wissenschaft funktioniert nur, wenn Experimente wiederholbar bleiben, und darin liegt die methodische Schwäche der Großprojekte: Die wesentlichen Entscheidungen werden von den Kollaborationen allein getroffen, über den Aufbau, über die Auswertung, und all dies – die Wissenschaftsgeschichte liefert klare Beweise – beeinflusst, was als wissenschaftliches Faktum anerkannt wird.
    Wer überprüft das, wer kann denkbare Alternativen erwägen? Die Antwort der Forscherteams lautet gewöhnlich: Wir machen das selbst, wir sind so viele Leute, es gibt Diskussionen und Kontroversen, alle Fehlermöglichkeiten werden angedacht und schließlich ausgeräumt. Das klingt alles nicht schlecht, insbesondere weil sich die Beteiligten sicher ernsthaft bemühen. Aber es hat mit wissenschaftlicher Methodik so viel zu tun wie die sicher auch kontroversen Diskussionen im Zentralkomitee der KPdSU mit Demokratie. Und selbst wenn es innerhalb eines Fachgebiets mehrere Gruppen gibt, ist es ja keineswegs so, dass die eine wirklich beurteilen könnte, ob die andere richtig gearbeitet hat. Über die Glaubwürdigkeit wird nicht nach objektiven Kriterien entschieden, sondern die Mehrheit befindet, welche Ergebnisse in den allgemeinen Konsens des Forschungsfeldes passen und welche nicht. Jedenfalls setzt sich niemand mit den prinzipiellen Problemen 269 der Zusammenarbeit von Hunderten von Forschern auseinander.
    Reproduzierbarkeit ist aber schon durch die Komplexität der heutigen Experimente an sich gefährdet. Spätestens beim Übergang zur fast industriellen Big Science wurde die Frage der griechischen Philosophen nach der Zuverlässigkeit der Sinne vergessen. Sicher kann man nicht zur Physik des 19. Jahrhunderts zurückkehren, denn manches ist nur in modernen Großversuchen zu beantworten. Diese sind aber so aufwendig, dass sie den Einzelnen weit überfordern. Zumindest ein Teil der modernen Experimentalphysik kann nur mehr von einer Vielzahl von Forschern bearbeitet werden, allerdings nicht unbedingt, wie man oft hört, ‚im Team‘. Denn in der Hierarchie und der Gruppendynamik dieser Teams liegt gerade das Problem. Höchst wichtig wäre es, die Datenauswertung in einzelne Schritte aufzuspalten, die von unterschiedlichen Gruppen ausgeführt werden. Gefährlich ist hingegen die oft praktizierte Mischung aus Auswertungsmonopol und theoretischer Deutungshoheit, eine ungesunde Expertokratie. Die Früchte soliden Wissenschaftshandwerks muss man von den spekulativen Modellen trennen wie Sparguthaben vom Investmentbanking.
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    Wenn in diesem Buch harte Worte über die größten intellektuellen Führer der Menschheit ausgesprochen werden, ist es nicht meine Absicht, diese herabzusetzen. Aber Wissenschaft ist eine der wenigen menschlichen Aktivitäten, vielleicht die einzige, in der Irrtümer systematisch kritisiert und manchmal rechtzeitig korrigiert werden. – Karl Popper
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    Die Wissenschaft hat sich also mit Big Science gewaltig verändert, aber die Techniken, mit denen wir Reproduzierbarkeit gewährleisten wollen, sind seit hundert Jahren die gleichen – so, als würde man einen A 380 mit den Sicherheitsvorkehrungen der Gebrüder Wright fliegen. Es ist vor allem auch ein methodischer Holzweg, auf dem wir uns befinden. Allerdings sind die großen Experimente nun mal da. Kann man die moderne Physik trotzdem wieder reproduzierbar machen? Ich habe immer noch Hoffnung.
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    Unglücklicher, sie scheinen auch an Idealen zu laborieren! – Georg Büchner
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    Also ab jetzt konstruktive Vorschläge: Ich hoffe, dass die folgenden Gedanken eine Vision darstellen, der sich auch diejenigen anzuschließen vermögen, die manchen Konzepten der Physik nicht ganz so skeptisch gegenüberstehen wie ich. Als technologisch-soziologische Entwicklung ist das Internet vielleicht nicht weniger wichtig als der Buchdruck, und darin liegt die Chance, die Jahrzehnte hinterherhinkende Methodik der Physik wieder mit der modernen Datenbearbeitung gleichziehen zu lassen. Was kann sich konkret zum Positiven ändern?
    Die Trennung von Datenaufnahme, Vorverarbeitung und modellabhängiger Interpretation ist notwendig und durchaus möglich. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die erwähnte SDSS-Himmelskatalogisierung von
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