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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Autoren: Alexander Unzicker
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Fachgebiete gegönnt haben, hat längst schon die Glaubwürdigkeit des Ganzen unterminiert. Reines Spezialwissen und dessen oberflächlicher Transfer werden die Physik garantiert im Datensammeln erstarren lassen. Wesentliche Fortschritte hat es dagegen immer nur durch Visionäre gegeben, die die Physik als Ganzes gesehen haben und wichtige Brücken zwischen den Gebieten erkennen konnten: Maxwell, Chandrasekhar, Bohr. Leute von gestern.
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    Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht. – Georg Christoph Lichtenberg
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ABWÄRTS
    „Bevor Sie hier alles anzweifeln, bringen Sie doch erst mal einen alternativen Vorschlag!“ Vielleicht ist Ihnen dieser Satz gelegentlich durch den Kopf gegangen, als Sie meine doch intensive Kritik an der heutigen Physik lasen, jedenfalls habe ich ihn schon in verschiedenen Tonlagen gehört. Nur, in Wirklichkeit heißt der Satz: „Bringen Sie erst mal einen alternativen Vorschlag, der alle Analysen, mit denen sich Zehntausende von Forschern beschäftigt haben, neu aufrollt, die Konsequenzen bis zum i-Tüpfelchen durchrechnet, in allem bessere Ergebnisse erzielt und möglichst allgemein akzeptiert ist …“ Und wenn diese Hürden noch nicht unüberwindlich wären, folgende hat es in sich: Alternative Vorschläge unter die Leute zu bringen, ist gar nicht so einfach. Eine Erweiterung einer Theorie im kuscheligen Konsens hat es viel leichter als ein Vorschlag, der an einem etablierten Konzept kratzt, geschweige denn es gar in Frage stellt. Die Komplizierung kann noch so willkürlich sein – Freunde, die bereit sind, daran mitzuarbeiten, findet man immer. Aber wer bestehende Modelle in Zweifel zieht, dem ist die Feindschaft ihrer Urheber sicher. Eher wird sich zu den bisherigen drei Neutrinosorten noch eine vierte, fünfte und sechste gesellen, als dass das System der Geschmacksrichtungen hinterfragt würde.
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    Die Katze aus dem Sack zu lassen, ist viel leichter, als sie wieder hineinzutun. – Will Rogers, amerikanischer Komiker
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    Denn ein neues Teilchen tut niemandem weh, während sparsame Spielverderber überall unbeliebt sind. Aus den gleichen Gründen entstehen mehr Behörden, als abgeschafft werden, mehr Komitees und Vereine, als sich auflösen. Menschliches Schaffen drängt zur Komplizierung, und daher haben die Produkte der Teilchenphysik heute Ähnlichkeit mit denen der Finanzindustrie: Sie sind undurchschaubar.
    Ideen, die sich dem Trend widersetzen und die Grundlagen radikal hinterfragen, lösen Ängste aus wie die des Bürokraten vor der Anarchie. Die Communitys der Physik müssen heute jeden ausgrenzen, der die Arbeitsgrundlage aller Mitglieder bedrohen könnte. Deshalb ist es undenkbar, dass auf einer großen Kosmologiekonferenz die Dunkle Energie in Frage gestellt oder bei einem Treffen von Hochenergiephysikern angezweifelt wird, dass Quarks ein sinnvolles Konzept sind.
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    Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die Meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen. – Albert Einstein
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    Und überhaupt nirgendwo wird man eine methodische Grundfrage diskutieren wie das jahrzehntelange Anwachsen der Zahl der freien Parameter. So zieht eine Art soziale Schwerkraft die Physik immer tiefer in eine Komplexität mit absurden Zügen, und ironischerweise scheint in diesem unkontrollierten Massenphänomen ein Naturgesetz noch zu gelten: die Zunahme der Entropie, das Streben nach Unordnung – der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik.
ZUM NACHDENKEN IST KEINE ZEIT
    Die heutige Arbeitsweise der Physik ist längst eine Karikatur von jener, mit der ein Kepler oder ein Newton erfolgreich waren, denn mehr als ein Jahrzehnt intensiven Nachdenkens dauerte es oft, ehe sie einen verborgenen Zusammenhang entdeckten. So dicke Bretter werden heute nicht mehr gebohrt, aber solche Wissenschaftsmönche wären wohl nötig.
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    Neue wissenschaftliche Ideen entspringen nie aus einer wie auch immer organisierten Körperschaft, sondern aus dem Kopf eines einzelnen Forschers. – Max Planck
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    Die Theoretische Physik könnte hier sogar von der Mathematik lernen: Zwei bahnbrechende Beweise wurden dort in jüngerer Zeit durch Andrew Wiles und Grigori Perelman erbracht, die sich jeweils für mehrere Jahre zum Nachdenken zurückgezogen hatten 268  – ohne institutionelle Verpflichtungen und abseits der Themen, an denen die Mehrheit werkelte.
    Über die Dominanz des Mainstreams bei
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