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Meine allererste Scheidung

Meine allererste Scheidung

Titel: Meine allererste Scheidung
Autoren: Sheryn George
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    Eigentlich hasste Caitlin Cooper Partys, aber diese fand zu ihren Ehren statt, und deshalb versuchte sie, sich wie eine professionelle Fernsehproduzentin zu benehmen und nicht schreiend durch die Nacht zurück zu ihrem Büro zu rennen. Dann könnte ich wenigstens dieses Kleid ausziehen, dachte sie, während sie in dem engen Gucci-Korsett, das einen Großteil des Jahreseinkommens einer angehenden Fernsehproduzentin verschlungen hatte, gleichmäßig zu atmen versuchte. Sie konnte sich so ein Kleid leisten, weil sie – obwohl noch keine vierzig – bereits eine erfolgreiche Fernsehproduzentin war.
    »Gar nicht so einfach«, keuchte sie, während sie versuchte, möglichst unauffällig genug Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen, um sich der wogenden Masse schöner Menschen zu stellen. In dem schicken Lokal am Hafen strahlten bunte Lichterketten um die Wette mit all den coolen jungen Dingern, die an dem neuen Programm – dem Anlass der Feier – beteiligt waren, und den Juwelen an den Fingern der Werbeleute, die entscheiden würden, wie viele Minuten sie in den Werbeblocks kaufen würden.
    Sie alle schienen sich gut zu amüsieren – das war ungewöhnlich für eine verklemmte geschäftliche Party, auf der sich normalerweise jeder nur für sich interessierte. Vielleicht, überlegte Caitlin, während ihr Blick über die manikürten Topdarstellerinnen wanderte, von denen keine ein Korsett zu tragen schien, hatte es damit zu tun, dass alle richtig atmen konnten.
    (Tatsache war, dass Cait umwerfend aussah. Gutes Aussehen war nicht alles für sie. Allerdings war sie für bequeme Schuhe und eine nette, graue Strickjacke definitiv zu jung. Sie liebte schöne Kleider – nur sollte man darin genügend Luft bekommen. Offenbar gehörte es zu ihrem Job, Kleider zu tragen, bei denen es zweifelhaft war, ob die Modedesigner sich jemals wirklich mit der weiblichen Anatomie beschäftigt hatten.)
    Solche Widersprüche waren typisch für Caitlins Leben. Sie vermisste ihre Kinder, aber sie liebte den Job, der sie von ihnen fernhielt. Sie war stets gestresst – doch das Adrenalin, das Deadlines in ihr produzierten, ließ sie aufblühen. Ihr Mann hatte es satt, dass sie nie zu Hause war – aber er war da, stand ihr zur Seite und kraulte ihren Rücken. Und der größte Widerspruch von allen: Sie hatte furchtbare Angst, dass niemand sich die Sendung ansah, in die sie gerade etliche Dollar-Millionen des Senders und sechs Monate ihres Lebens investiert hatte, aber sie war ebenso davon überzeugt, dass sie ein Hit wurde.
    Caitlins Vermutung war nicht unbegründet. Der Vorlauf zur Erstsendung von Date Squad war so sexy gewesen, wie sie es noch bei keiner anderen Sendung erlebt hatte. Werbekunden, Sponsoren und Fernsehbosse setzten horrende Geldsummen auf den durchschlagenden Erfolg der erotischen, aber familienfreundlichen Realityshow, das neue Flaggschiff von Channel Five.
    Caitlin liebte ihre Arbeit. Das Casting, das Durchkämmen von Manuskripten, geeignete Drehorte auftun, die Aufmerksamkeit des Publikums oder innerhalb von Sekunden langfristige Entscheidungen treffen, bei denen viel Geld im Spiel war. Es war absolut berauschend.
    Es war intensiv, anstrengend und anspruchsvoll. Sie hatte immer so viele Dinge gleichzeitig zu erledigen, dass sie unmöglich alle ihre Ziele erreichen konnte. Doch am Ende schaffte sie es immer.
    Nur um ganz sicherzugehen, dass Date Squad ein Hit werden würde, trug sie in ihrem BH den Glückskiesel, den Molly ihr gegeben hatte, als sie ihr Kleid angezogen hatte. (Okay, als sie sich hineingezwängt hatte.) Sie spürte seine Wärme direkt über dem Herzen, so beruhigend wie die klebrigen Küsse ihrer Sechsjährigen, während sie plauderte und nickte und all die unübersehbar wichtigen Leute auf der Party mit Smalltalk fütterte. Keine Philosophie. Nichts Persönliches. Jede Menge Nicken und Lächeln und nette Komplimente. Und während sie lächelte und nickte, ging Caitlin gleichzeitig im Geiste ihre Checkliste durch, die sie seit sechs Monaten im Kopf hatte. Sie kannte sie auswendig, aber ihre Wiederholung war inzwischen zu einer Art Mantra geworden – es hatte eine wohltuende Wirkung auf ihre angespannten Nerven. Es musste einfach alles gut gehen.
    Massenweise sexy Präpublicity, eine heiße, junge Besetzung und eine großartige Masche für eine Realityshow. Abgehakt.
    Party läuft wie geschmiert. Die Leute trinken, lachen, flirten, haben sich in Schale geworfen und amüsieren sich gut. Presse ist anwesend.
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