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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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Augen für deine Uhr und bist nervös auf und ab getippelt. Es war kurz nach zwölf, als das Taxi vorfuhr. Wir luden ein – erst die Koffer, dann uns. Du wolltest vorne sitzen und bestimmen, wo’s langgeht – schön, war mir nur recht, so hatte ich die Rückbank für mich allein. Zweihundert Pfund sollte uns der Spaß kosten. Wir willigten ein, uns blieb keine Wahl. Immerhin waren noch ein paar Pfund übrig für Eintritte und Mitbringsel für die Kinder. Lief doch alles bombig.«
    »Sag mal, warum ratterst du die Geschichte jetzt so runter? Das klingt ja wie eine Inhaltsangabe. Hast du keine Lust mehr, oder was?«
    »Wir sammeln nur noch Beweise, Charline, da kommt nichts Spannendes mehr – eigentlich bin ich fertig.«
    »Nein«, protestiert sie, »ich will nicht, dass es zu Ende ist, lass dir was einfallen, los.«
    »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Viertel nach sieben.«
    »Ich meine, weißt du, wie lange ich schon erzähle? Ich bin doch keine Maschine! Wenn ich nicht bald aufhöre, werde ich der erste Mensch sein, dem die Zunge einschläft.«
    »Ich bin kein bisschen müde und noch nicht wieder bereit, in den Alltag zurückzukehren. Nur eine kurze Abwärmphase, bitte.«
    »Wir haben jedes Genre einmal durchgesponnen: Mord, Sex, Spannung, Abenteuer, … da gibt’s nichts mehr.«
    »B-i-t-t-e!«
    »Charline, ich bin aufgewacht, als uns der Taxifahrer am Flughafen absetzte. Die Sehenswürdigkeiten in meiner Couchtour hatten keine Ähnlichkeit mit denen im Reiseführer. Was ich mir da im Traum zurechtgeschustert habe, gibt es nirgendwo.
    Ich könnte höchstens improvisieren und meine neu gewonnenen Erkenntnisse aus dem Reiseführer einbauen, damit du dein Alibi konstruieren kannst.«
    »B-i-t-t-e!«
    »Okay, überredet. Also, ich fläzte mich auf die Rückbank des Taxis und fiel sofort ins Schlafkoma. Du, aufgewühlt von deinem schlechten Gewissen, warst hyperaktiv. An den Stationen, wo es was zu sehen gab, hast du mich rausgezerrt, mich irgendwo hindrapiert und geknipst. Ich hatte die ganze Zeit die Augen zu. Mein Körper war schlaff und schwer, noch schwerer als sonst. Panik verleiht ja dem, der in Panik ist, Bärenkräfte. Du hast mich geschleppt wie eine Einkaufstüte und abgestellt, als wäre nichts Wertvolles drin. Ich habe kaum etwas davon mitbekommen, sonst hätte ich protestiert. Mich so zu benutzen!«, ergänze ich gespielt empört. Charline findet das komisch. Sie grinst – noch!
    » Madame Tussauds. Im Wachsfigurenkabinett rollte mein müder Kopf über alle prominenten Schultern. Auf den meisten Bildern sah man nur ein Haarbüschel von mir, weil die Schwerkraft mich nach unten zog, bevor du den Auslöser drücken konntest. Sean Connery hielt mein angelehntes Gewicht nicht aus. Seine Figur enttäuschte in puncto Standfestigkeit. Wir gerieten ins Wanken, Sean und ich. Du hast uns in letzter Sekunde mit einem Hechtsprung vorm Lang-Hinschlagen bewahrt. Vor Schreck ist dir die Kamera aus den Händen geglitten. Daher zeigte dieses Foto nur zwei Bäuche: Seans und meinen.
    » Der Tower. « Charline schlägt die Seite im Reiseführer auf. Sie ist wirklich nicht totzukriegen. »Die Besucherschlange vor dem Tower war kilometerlang. Wir hatten bei Madame Tussauds schon zu viel Zeit mit Warten vertrödelt, also wurde die Besichtigung von innen gecancelt. Um trotzdem ein Foto, zumindest mit der Festung im Hintergrund, zu schießen, hast du mich mit deinem Schal an einen Staketenzaun gebunden, damit ich aufrecht stehen blieb. Knips. Meine Fessel war selbstverständlich mit drauf und würde dich sicher eine Erklärung kosten – wie alle anderen Motive auch.
    » Hyde Park. « Charline blättert weiter.
    »Du wolltest unbedingt ein Bild von uns beiden. Du schobst mich zu einer Bank, die auch bei uns im Kurpark hätte stehen können, und batest einen Spaziergänger, uns zu fotografieren. Als er auf das Display schaute, saß ich noch aufrecht, von dir und der Rückenlehne gestützt. Er drückte ab. Die Kamera belichtete und hielt mit einer klitzekleinen Verzögerung genau den Moment fest, in dem ich mit dem Kopf voran in deinen Schoß kippte. Dein Gesicht war der Knüller – ein Ausdrucksgemisch aus gekniffen und geohrfeigt .
    » Big Ben, St. Paul’s Cathedral, Westminter Abbey und Buckingham Palace. « Jetzt kommt sie ins Schwitzen. Sie sucht im Inhaltsverzeichnis. »Für diese empirischen Vorzeigemonumente englischer Architektur, … dass mir um diese Uhrzeit noch so ein Satz gelingt, … sollte eine Aufnahme aus
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