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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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daran, kracht er um. Du hast so schnell gequasselt, dass ich die ganze Zeit nur Bahnhof verstand. Aber es machte einen Riesenspaß dir zuzuhören.
    In der Empfangshalle herrschte reges Treiben: auschecken, einchecken, rollende Koffer, hektisches Getrappel. Einige Gäste schlenderten zum Frühstücksbuffet, andere beobachteten die Vorbereitungen für eine Vernissage, die für den Nachmittag geplant war. Ab und zu schielte jemand zu uns herüber und räusperte sich. Wir ignorierten jeden Appell an unser gutes Benehmen und hielten – kichernd und kreischend wie zwei Teenager – Kurs auf den Speiseraum. Auch wenn Liebe durch den Magen geht, macht sie nicht satt – wir hatten Hunger. Mein Vorsatz, nie wieder zu essen, löste sich in Wohlgefallen auf, als mir der Duft von gebratenem Speck in die Nase stieg. Wir hatten schon die Stadtrundfahrt für die Befragung sausen lassen – das Gratis-Frühstück würde uns keiner nehmen. Vor dem Brötchenkorb hast du deinen Rollkragen runtergezogen und mir stolz deine Liebesmale präsentiert. Mein lieber Schwan, da war aber jemand außerordentlich stürmisch rangegangen. Das dachten übrigens auch die Leute, die neben uns am Buffet mit ihren neugierigen Blicken an dir klebten und darüber völlig ihren Nachschlag vergaßen. Sie kehrten mit leeren Tellern auf ihre Plätze zurück und reckten ihre Hälse noch nach dir, als wir längst an unserem Tisch saßen. Ich begrub mein Brötchen unter einem Berg von Erdbeermarmelade. Ich brauchte etwas Süßes vor dem ganzen Speck, der sich auf der anderen Seite des Tellers stapelte. Dir reichte ein Kaffee und eine Scheibe Schwarzbrot mit Frischkäse – Verräter, du. Wir waren so in unser Gespräch und unser Essen vertieft, dass wir ihn nicht kommen sahen.«
    »Wen?«
    »Den Mann, der mir von hinten auf die Schulter tippte. Charline, ich hab mich vielleicht erschrocken. Ehrlich, wenn ich zwei Dinge auf dieser Couchtour satt hatte, dann waren es Anschleichen und Antippen. Mein Besteck rasselte zu Boden. Blitzartig langte ich über den Tisch, riss dir dein Messer aus der Hand, sprang auf und drückte ihm die Klinge an die Kehle.«
    »Wem, um Himmels willen?«
    »Inspektor Brighton Stiller!«
    »Nein.«
    »Doch. Ich erkannte ihn erst, als ich am Boden lag und zu ihm aufschaute. Er hatte mich gekonnt aufs Kreuz gelegt. Die von Scotland Yard können ja so was, zack, und schon siehst du alles aus der Froschperspektive. Gerade ein Mann wie Stiller fackelte nicht lange. Der legte alles um, was ihm an den Kragen wollte. Ich hatte seinen zudem noch beschmiert! An seinem Hals trennte eine weiße Frischkäselinie Kopf und Rumpf. Er wischte die Spur mit seinem Ärmel weg. Umringt von Schaulustigen stammelte ich eine Entschuldigung, aber es war mir so unsagbar peinlich, dass ich kaum ein Wort herausbrachte. Du bist mir gleich zu Hilfe geeilt und hast versucht, meine Schreckhaftigkeit mit Übernächtigung zu erklären. Übernächtigung! Was für eine harmlose Beschreibung für unser schamloses Treiben – mit seinen Officern! Die Wahrheit ist manchmal wirklich unglaublich. Ich konnte Stillers Gedanken lesen. Er zweifelte tatsächlich kurzfristig daran, den richtigen Täter des Mordes am patzigen Rücken überführt zu haben. Wenn ich ihn mit einem Messer bedrohte, weil er mich antippte, wozu war ich erst imstande, wenn mich jemand demütigte? Verzwickt. Eigentlich war er ins Hotel gekommen, um uns Bescheid zu geben, dass wir ausreisen durften. Jetzt überlegte er, uns für immer wegzusperren.«
    »Und?«
    »Nichts und. Bolle hatte längst gestanden, uns konnte er den Mord nicht anhängen, aber …«
    »Was?«
    »… tätlicher Angriff auf einen Polizisten. Das bedeutete in etwa dreißig Jahre Knast für mich und vierzig für dich, weil du es zugelassen hast. Mit Komplizen gehen die in England besonders hart ins Gericht.«
    »Du spinnst!«
    »Charline, wir waren so kurz davor.« Ich zeige ihr einen winzigen Spalt zwischen Zeigefinger und Daumen. »Ungefähr zwanzig Zeugen hätten meine Attacke und deine Tatenlosigkeit bestätigt. Ich hörte schon den Urteilsschlag durch den Hammer des Richters, da fiel mir ein …« Charline lacht.
    »Dein Guthaben!«
    »Genau. Ich hatte noch einen gut! Und den löste ich jetzt ein, mit zwanzig Zeugen an meiner Seite, die es Stiller unmöglich machten, sein Wort zu brechen. Wenn man einem Inspektor von Scotland Yard nicht vertrauen konnte, wem dann? Die Entscheidung, uns davonkommen zu lassen, besiegelte die
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