Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
Vom Netzwerk:
schätzen, und ich würde es gegen kein anderes auf der Welt eintauschen. Ich kann verreisen, ohne wirklich wegzufahren, Königin von Deutschland sein, sogar ungestraft eine Bank ausrauben – verstehen Sie, was ich meine? Ich liege im Bett oder auf der Couch und gehe auf Tour, wohin auch immer meine Fantasie mich trägt. Bevor ich einschlafe, stelle ich mir etwas vor, zum Beispiel, dass ich im Lotto gewinne. Ich gebe zu, das klingt ziemlich flach, sollte aber zur Veranschaulichung reichen. Im Traum spinne ich den Gedanken dann weiter. Das passiert von selbst. Die Details überlasse ich dem Zufall. Es ist wie ein Film, in dem ich Zuschauer und Darsteller bin. Wichtig ist es, den Schluss festzulegen, sonst endet der Geldsegen im Kugelhagel oder auf dem Grund eines Sees. Reichtum beinhaltet immer mehr Neider als Gönner. Nachdem ich einmal, während eines Traum-Urlaubs in der Südsee, von Einheimischen am Spieß gebraten wurde, beachte ich diese Regel. Meine Couchtouren sind meine Art, wieder Energie zu tanken. Ein positives Erlebnis motiviert mich. Es spielt für mich keine Rolle, ob es wirklich passiert ist. Letztendlich sind all unsere Erfahrungen irgendwann nur noch Erinnerungen.
    Ich überlege gerade, aber mir fällt spontan niemand Prominentes ein, der mir ähnlich sieht – ob das einen Grund hat? Ich würde Ihnen so gerne ein grobes Bild von mir vermitteln, doch das ist leichter gesagt, als getan. Sobald es darum geht, sein Äußeres zu beschreiben, fallen einem immer zuerst die negativen Aspekte ein. Komisch, oder? Als würde man in einem Café sitzen und über vorbeischlendernde Leute lästern – mit dem Unterschied, dass man sich selbst wie einen Passanten betrachtet. Ich stapele jedenfalls lieber tief. Vielleicht begegnen wir uns irgendwann, und dann muss es mir nicht peinlich sein, dass ich zu dick aufgetragen habe. Apropos dick. Laut Body-Mass-Index gelte ich als übergewichtig. Das heißt in Kilos: zwanzig zu viel. Ich will jetzt nicht ewig darauf herumreiten. Jeder, der sich in meiner BM I-Klasse befindet, weiß: Man ist vor Verzweiflung noch keinen Abhang heruntergesprungen. Man steht davor und überlegt, ob man es tun sollte, das ist ein himmelweiter Unterschied. Mir ist lediglich die Lust daran vergangen, mich schick zu machen, die in meinem Alter eigentlich ausgeprägter sein sollte. Ich bin 35 Jahre alt. Bald brauche ich nicht mehr darüber nachzudenken, was ich anziehe – es guckt eh keiner mehr hin. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, das Beste aus mir zu machen, aber ich kann mich irgendwie gerade nicht dazu aufraffen. Vielleicht ja morgen oder in ein paar Monaten.
    Seit der Pubertät bin ich Allergiker. Ich weine, wenn mich ein Pollen anfliegt, und ringe nach Luft, wenn mir eine Katze über den Weg läuft. Ich vertrage kein rotes Gemüse, kein grünes, keine Milch, nichts Weizenhaltiges, keinen Alkohol, keine Schokolade – kurzum, ich könnte mich ausschließlich von Heilwasser aus gesegneten Quellen ernähren und würde davon Ausschlag bekommen. Es ist mein Glück im Unglück, dass nur mein Gesicht davon betroffen ist. Okay, Hals und Dekolleté manchmal auch. Gott sei Dank gibt es Make-up! Ich gebe ein Heidengeld dafür aus, das ich an anderer Stelle einsparen muss. Als ob die Allergie allein nicht schlimm genug wäre, nein, teuer ist sie obendrein! Gestern erst habe ich mir gewünscht, dass ich diese Bürde nun lange genug getragen hätte und jetzt mal jemand anderes dran wäre. Ziemlich dumm. Nur angenommen, jemand mit Dauerschluckauf, Ohrensausen und faustgroßen Hämorrhoiden wünscht sich das Gleiche! Ein verdammt schlechter Tausch wäre das, würde ich sagen. Man sollte nicht herumwünschen, ohne nachzudenken. Selbst der beste Wunsch hat einen Haken, den man vorher nicht bedacht hat. Ich lebe damit. Ein bisschen Selbstmitleid sei mir zugestanden.
    Was gibt es außerdem über mich zu sagen? Ach ja, ich bin Single. Noch nicht lange, aber lange genug, um in meinem Spiegelbild diesen paarungswilligen Blick zu erkennen, der mich auffordernd beäugt und Männer abschreckt. Meine Ansprüche sind nicht hoch. Früher waren sie das. Ein Mann nach meinem Geschmack musste mindestens ein Held sein, der jeden Tag Hunderte von Menschenleben rettet und zudem Schwertkämpfer, Schlagzeuger, Kunstreiter, Handwerker, Model, Bildhauer, Tiefseetaucher, Nobelpreisträger, Prinz und Poet ist – ausgestattet mit dem wichtigsten Accessoire, das jede Frau am liebsten an einem Mann sieht – einem Sack voll
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher