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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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selbstverständlich erachten: Liebe und Geborgenheit. Ich glaube, sie hat sich schon mit ungefähr zwanzig dazu entschieden, ihre eigene Familie zu gründen. Seitdem ist sie Hausfrau und Mutter zweier wunderbarer Kinder, die ein paar Jahre später ihr Familienglück perfekt machten: Stina und Merle. Die beiden Mädchen brauchen sie mittlerweile nur noch als Köchin, Putzfrau und Chauffeurin, ansonsten gehen sie ihre eigenen Wege. Ich bin Stinas Patentante. Sie ist mein kleiner Wirbelwind. Sie glaubt alles, was ich ihr erzähle, und ist der fleischgewordene Unfug. Wir passen hervorragend zusammen. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit ihr. Merle kommt eher nach ihrem Vater, spricht nur, wenn sie dazu aufgefordert wird, und antwortet neuerdings auf alle Fragen mit: »Na ja.« Sie war schon als Baby genügsam und still. Der einzige Unterschied zwischen wach sein und schlafen bestand bei ihr darin, dass ihre Augen offen oder geschlossen waren. Wir hatten Angst, dieser träge Wurm lernt das Laufen nie. Warum sollte sie auch? Es ist ja viel angenehmer, getragen zu werden. Kleiner Schlaukopf. Irgendwann konnte sie es dann doch, und wir waren alle mächtig stolz. Sie wird ihr Leben meistern – auf ihre Weise. Ich glaube, sie wird einmal zufriedener und glücklicher sein als wir alle zusammen. Ich liebe sie beide. Charlines Mann Bernd ist ein gutmütiger, liebenswerter Trottel. Er trinkt keinen Alkohol, raucht nicht, flucht nicht. Ehrlich, der hilft Leuten über die Straße, die gar nicht auf die andere Seite wollen. Sein Gesichtsausdruck ist von permanenter Verständnislosigkeit geprägt. Ich rede in seiner Gegenwart ganz langsam. Charline findet das schäbig. Ich finde das zeitsparender, als mich ständig zu wiederholen. Die Haare gehen ihm langsam aus, dafür wächst sein Bauch – ich will gar nicht wissen, wohin. Er trägt grundsätzlich zwei Armbanduhren – für den Fall, dass eine mal stehen bleibt. Als Kind kam er einst zu spät zu einem Vorsprechen für eine Theaterrolle – ein anderer wurde genommen. Zurück blieb ein enttäuschter Bernd mit einem Unpünktlichkeitstrauma. Bernd ist davon überzeugt, sein Leben wäre anders verlaufen, hätte er damals die Rolle bekommen. Natürlich. Einen Fliegenpilz in Peter Pan gespielt zu haben, wäre die Fahrkarte nach Hollywood gewesen. Ich finde, er sollte jeden Tag dankbar für sein Leben sein, schließlich hat er Charline und zwei fabelhafte Töchter an seiner Seite. Das ist mehr, als er je erwarten konnte. Er weiß das auch. Bernd sorgt stets dafür, dass es seiner Familie an nichts fehlt. Er verwöhnt Charline und ist ein wahres Haushaltswunder. Der Mann backt eine Schwarzwälder Kirschtorte, die sündiger ist als die Sünde. Ich mag ihn – irgendwie. Wenn sich jemand abfällig über ihn äußert, werde ich zum Tier. Er steht unter meinem Schutz. Nur ich darf ab und zu ein bisschen über ihn spötteln, ich meine es ja nicht böse.
    Charline ist so treu, wie man nur sein kann. Sie hat ihre Gründe und das verstehe ich – ich bemühe mich zumindest. Bernd war ihr erster Mann und wird auch ihr letzter sein, wenn ich nicht dafür sorge, dass sich mal ein echter Kerl über sie hermacht. Sie hatte noch nie einen Orgasmus – jedenfalls keinen in Anwesenheit von Bernd. Ist das nicht traurig? Wenn ich Charline deswegen aufziehe, kontert sie mit: »Ich habe wenigstens Sex!« Autsch. Sobald wir alleine sind, schwärmt sie von B-r-a-d P-i-t-t. Ganz die Mama, nur ohne heimlichen Schrein – es sei denn, sie hat einen, von dem ich nichts weiß. Ich wünsche mir von Herzen, dass Brad sie eines Tages besucht, ihr die Kleider vom Leib reißt und sie mal so richtig gar kocht. Uups, was habe ich vorhin über Wünsche geschrieben? Richtig! Alle Wünsche haben einen Haken – dieser Wunsch ist eine ganze Hakensammlung. Was soll’s. Ich werde die beiden auf meiner nächsten Couchtour verkuppeln und ihr davon erzählen – alles. Haarklein.
    Charline hängt seit einer Ewigkeit in Phase eins fest. Der Sprung in Phase zwei wäre wichtig für sie und ihre Mitmenschen, aber so, wie ich sie kenne, wird sie sich ganz plötzlich gleich in Phase drei katapultieren. Das ist katastrophal für alle, die völlig unerwartet mit der neuen Situation konfrontiert werden. Menschen tun sich schwer mit Veränderungen, besonders, wenn sie von jetzt auf gleich passieren. Doch so ist sie nun mal: Sie hält so lange aus, bis es nicht mehr geht, und explodiert dann. Ich habe das schon ein paarmal erlebt und
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