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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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gelernt, mich schnell umzustellen. Wer behauptet, Freundschaften seien einfach, hat keine. Ich bleibe ihr treu, und wenn es noch so laut knallt.
    Unzufriedenheitsphase zwei: eine verhängnisvolle Phase. Man kennt den Grund seiner Unzufriedenheit und konzentriert seine gesamte Energie darauf, dieses Übel nach Kräften zu hassen. In dieser Phase ist man blind für alles Positive. Und es treten erste körperliche Beschwerden auf. Klar, Hass ist anstrengend und kräftezehrend. Magengeschwüre, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen … in meinem Fall Ausschlag. Phase zwei kann man nur entrinnen, wenn das Maß voll ist, ich meine richtig voll. Das Fatale dabei: Je länger man in dieser Phase verweilt, desto höher wird die Schmerzgrenze. Es gibt zwar jeden Tag Momente, in denen man denkt: »Jetzt reicht’s!« Aber es reicht eben doch noch nicht. Man beruhigt sich wieder, denkt über Alternativen nach. Dabei stellt man fest, dass man sich aufraffen und aktiv werden muss, und fühlt sich sogleich überfordert. Ist es nicht doch besser, auszuharren? Jeder Satz beginnt mit einem großen ABER. Man wartet auf jemanden, der einem den Weg aus dem Dickicht freischlägt – ein Zeichen, eine Chance, die man nur am Schopf zu packen braucht. Man ist bereit, sich zu verändern, will es unbedingt, nur wie? Eigeninitiative wird zu etwas so Gewaltigem, dass sie einem zunehmend als eine Aufgabe erscheint, die allein nicht zu bewältigen ist. Der Geist ist willig, der Körper schwach. So könnte man diese Phase in einen Satz fassen. Es gibt Menschen, die hier völlig verzweifeln, bis hin zur kompletten körperlichen Erschöpfung. Sie warten Zeit ihres Lebens auf den Ritter der Veränderung, doch er wird nicht kommen. Und selbst wenn er an ihre Tür klopfen würde, mit der Lösung all ihrer Probleme in der Hand, wären sie schon zu zerschlagen, um auf sein Angebot einzugehen. Ich möchte mir die Haare raufen, wenn ich daran denke, wie viel Zeit ich in dieser Phase bereits verplempert habe. Ich bin extrem jammerlappig, überempfindlich und gereizt.
    Die Ursache für meine Unzufriedenheit – das habe ich in Phase zwei herausgefunden – ist mein Job. Nicht der Job an sich, sondern meine Arbeitsstelle. Ich kann meine Kollegen nicht ausstehen. Eigentlich sind es nur zwei, die ich unerträglich finde, aber ich mache inzwischen alle im Kollektiv dafür verantwortlich, dass ich unter diesen Umständen arbeiten muss. Es ist einfacher so. Die meisten Menschen kann man, glaube ich, nur eine gewisse Zeit ertragen. Darum bemitleide ich Büroangestellte. Jeden Tag die gleichen Käuze mit all ihren Launen, Nöten und Zipperleins und keine Fluchtmöglichkeit! Man ist auf diese Leute angewiesen, muss mit ihnen kommunizieren, ihre Fehler ausbaden, den Urlaub abstimmen, und das über Jahre, obwohl man sie schon am ersten Tag nicht leiden konnte. Für mich undenkbar. Ich kann mich wenigstens den Großteil meiner Zeit in eine Kabine mit Patienten zurückziehen, die mir zwar auch nicht alle sympathisch sind, dafür wechseln aber ihre Gesichter im Zwanzig-Minuten-Takt.
    Wenn mir einer erzählt, seine Arbeit sei seine Passion, lache ich ihn aus. Alles, was Spaß macht, bringt kein Geld. Alles, was man tun muss, wird einem irgendwann lästig. Mir sind Menschen lieber, die arbeiten, um zu leben – weil sie lebendiger sind. Für sie ist Feierabend nicht das Ende des Tages, sondern der Anfang. So muss es sein. Die Zeit nach Feierabend ist schließlich die Zeit, in der man normalerweise andere Menschen kennen- bzw. näher kennenlernt. Wie interessant ist jemand, der beruflich eine Eins ist, privat aber eine abgespannte Null? Was soll ich mit so einem anfangen? Ihn dafür bewundern, wie brillant er während meiner Abwesenheit war? Die Persönlichkeit ist entscheidend, und darüber gibt ein Job keine Auskunft. Womit jemand seinen Lebensunterhalt verdient, ist mir egal. Okay, Schlachter sind die Ausnahme. Wer den ganzen Tag tötet, ist definitiv falsch gepolt. Ich esse Fleisch und bin mit dafür verantwortlich – trotzdem, mir wäre nicht wohl dabei, neben einem Mann einzuschlafen, der im Minutentakt Kehlen aufschlitzt.
    Ich arbeite für Geld – Punkt. Das hat den grundlegenden Vorteil, dass mein Arbeitgeber mich weder bespaßen noch mir lobhudeln muss und ich auch dann zur Arbeit komme, wenn es mal weniger lustig ist. Alles, was ich will, ist Kohle – pünktlich. Wenn ich die bekomme, gehe ich pflichtbewusst ans Werk. Wichtig ist, wie bei allen Dingen im Leben, das
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