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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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Geld.
    Meine Arbeit als Masseurin hat mich in dieser Beziehung desillusioniert. Wenn mich heute einer fragt: »Wie soll ER sein?«, kann ich das mit einem Adjektiv beantworten: »Sauber.« Genau. Sauber soll er sein, hinter den Ohren, in den Ohren und in allen Zwischenräumen.
    Ich arbeite in einem Akutkrankenhaus. Die Patientenfluktuation ist dem Geiz der gesetzlichen Krankenkassen entsprechend hoch. Es wird der Tag kommen, an dem eine Narkose unter die private Zuzahlungspflicht fällt und der Betroffene, wenn man ihm Lücken in seinem Bonusheft für Gesundheitserhaltung nachweisen kann, selbst bei seiner OP assistieren muss. Wir sind ständig überbelegt, und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Krankenhausleitung beschließt, die weniger kritischen Fälle ins Parkhaus abzuschieben. Aber das ist ein anderes Thema. Was ich eigentlich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass eine Masse von Menschen tagtäglich durch meine Hände geht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Beruf birgt den entscheidenden Vorteil, dass ich mich nicht in Single-Bars oder auf Ü-3 0-Partys herumtreiben muss, um jemanden kennenzulernen. Sie kommen alle zu mir – ausgepackt. So kaufe ich nicht die Katze im Sack. Von dieser Warte aus betrachtet bin ich in der Poleposition – nur, dass es zurzeit kein Rennen gibt. Masse ist eben nicht gleich Klasse. Wie dem auch sei. Ich kann warten. Heiraten sollte für keinen Menschen ein Lebensziel sein. Wer alleine glücklich ist, braucht sein Glück nicht zu teilen. Das ist natürlich gelogen, aber wenn man sich das immer wieder einredet, glaubt man es irgendwann.
    Das Leben bietet viele Gelegenheiten. Man muss sie nur sehen. Darum trage ich eine Brille – und nur darum. Ich mag mich damit nicht. Ich hasse Brillen! Sie sind lästig, beschlagen in den ungünstigsten Momenten, machen alt, und jeder, der ihnen zu nahe kommt, hinterlässt einen fettigen Abdruck auf ihren Gläsern. Eine Brille ist wie ein orthopädischer Stiefel – nur im Gesicht. Sehhilfe, Gehhilfe, was macht das schon für einen Unterschied, man ist hilfebedürftig und gezwungen, genau diesen Umstand zur Schau zu tragen, wer will das schon? Bei mir kommt erschwerend hinzu, dass ich ein paarmal mit dem Gestell auf der Nase eingeschlafen bin. Morgens klemmte es dann zwischen Bettkasten und Matratze. Jetzt ist es schief, hängt rechtsseitig, falls ich es nicht ständig korrigiere. Ich merke, dass es nötig ist, wenn während eines Gesprächs mein Gegenüber den Kopf zur Seite neigt, um sich meiner Blickschräglage anzupassen. Kontaktlinsen? Gibt es welche, die man mit extremer Hornhautverkrümmung tragen kann? Ich habe noch keine gefunden. Maximal zwei Stunden halte ich das aus, dann platzen mir sämtliche Adern in den Augen, und ich sehe aus wie eine Bulldogge, die man mit einer Ladung Pfefferspray abgewehrt hat.
    So, und jetzt hätte ich gern ein Polaroidfoto von meinem Bild in Ihrem Kopf …
     

Die Wurzel allen Übels
    Momentan bin ich unzufrieden. Ich unterteile Unzufriedenheit in drei Phasen. Phase eins: Unruhe. Phase zwei: Erkenntnis. Phase drei: Explosion.
    In Phase eins fühlt man sich unwohl in seiner Haut, man ist lustlos, verbringt viel Zeit allein und schimpft in Selbstgesprächen vor sich hin. Noch kann man die Ursache dafür nicht definieren. Man spürt lediglich eine Unruhe, die permanent in einem rumort – so, als müsste man gleich einen Test schreiben, und weiß, er wird hundertprozentig in die Hose gehen, weil man nicht gelernt hat. Wer in dieser Phase steckt, sollte einen Helm tragen, weil das ständige Anecken überall und bei jedem einem echt Kopfschmerzen bereiten kann. Man ist dauernörgelig und Freundschaften werden auf eine harte Probe gestellt. Ich habe zum Glück eine Freundin, die mich in allen Phasen erträgt. Charline. Ich erwähnte sie bereits. Sie ist ein Geschenk. Wir kennen uns seit der Schulzeit. Wenn wir alt und verwitwet sind, gesetzt den Fall, ich heirate jemals, werden wir zusammenziehen – in ein Fachwerkhäuschen weit ab vom Schuss, so unser Plan. Es ist statistisch erwiesen, dass Männer einer kontinuierlichen, jahrzehntelangen nervlichen Belastung durch Frauen nicht standhalten. Schaffen sie es bis in den Ruhestand (in Männersprache: Vorhof zur Hölle), versetzen wir ihrem altersschwachen System mit Rund-um-die-Uhr-Gezeter den Todesstoß. Okay, die offiziellen Quellen verharmlosen die Fakten, aber wie jede Frau lese ich zwischen den Zeilen und analysiere das Ungesagte.
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