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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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1. Kapitel
    Irgendwann Mitte Juli im vergangenen Sommer war ich arg früh aufgestanden. Wenn es so stickig ist, schlafe ich meistens schlecht. Draußen hing noch immer dieser Nebel, eher fett als dicht. Feist, dachte ich – feister Nebel; man könnte jetzt nackt über das Feld hinter den Gärten laufen, und keiner würde einen sehen. Die meisten Anwohner waren sowieso in Ferien; wahrscheinlich sähe einen auch keiner, wenn der Nebel sich verzogen hätte.
    An diesem Morgen hatte ich einen Sauberkeitsfimmel und wusch mir die Hände sehr gründlich. Dann warf ich die Kaffeemaschine an, und während sie arbeitete, machte ich jene Morgenrunde, die der Herr des zu hütenden Hauses mir ans Herz gelegt hatte: die Vogeltränke säubern und auffüllen, die Goldfische im Teich füttern, Blätter und ähnliches Treibgut aus dem Pool fischen.
    Im Nachbargarten war Gereon zugange, ein grauhaariger Mann um die Sechzig, der mehrere Gärten pflegte – auch »meinen« – und hin und wieder nett-bissige Bemerkungen über die besitzenden und vermögenden Herrschaften machte. Es hatte nur zwei oder drei Zigaretten und zwei Schnäpse gebraucht, um zwischen uns eine gewisse Kameradschaft herzustellen, mit dem fließenden Übergang von »Herr Hemmersbach« und »Herr Bongartz« zu Gereon und BoBo. Ich pfiff und winkte; er winkte zurück. Irgendwie sah er so übernächtigt aus, wie ich mich fühlte; kein Wunder bei all dem Zeug, das er abends in seinem Gartenhäuschen durcheinandergetrunken hatte. Ich dagegen war brav bei Wein geblieben.
    Nun ging ich zurück ins Haus und lehnte eben die Terrassentür hinter mir an, als ich die Detonation hörte – eine dumpfe Explosion von rechts, vom Nordrand des Orts. Ich wusch mir noch einmal die Hände, setzte mich an den Küchentisch und frühstückte. Dabei dachte ich an Mörser. An eine Rakete, die jemand von einem der Hügel ins Camp gefeuert hatte. An eine Patrouillenfahrt und eine Mine. Wahrscheinlich habe ich dann den Kopf geschüttelt und mir gesagt, daß ich in einem Kaff an der Erft war, nicht mehr in Afghanistan.
    Ein paar Minuten später hörte ich Sirenen – Polizei, Feuerwehr, vielleicht ein Notarzt und eine Ambulanz. Ich ging zur Vordertür, dann über den Plattenweg zum Gartentor. Der Briefkasten war leer. Die Zeitungen hatte der Hausherr abbestellt, und es war zu früh für Post, falls es welche gab. Jemand hatte mir einen Brief verheißen, aber was heißt das schon? Er hatte auch versprochen, mich auf der Festnetznummer der Villa hier anzurufen.
    In den Nachbarhäusern waren Türen offen; einige Leute standen auf der Straße, redeten und gestikulierten. Die Sicht war gut, kaum noch Nebel. Das Jaulen der Sirenen wollte enden. Ich schaute nach links, nach Norden, zu der Rauchwolke, die sich ausbreitete und den Nebel ersetzte. Noch während ich den Kopf in diese Richtung drehte, sah ich aus den Augenwinkeln rechts den alten Mann mit Krückstock vom Wald her auf die Straße schlurfen.
    Katastrophen sind sexy, dachte ich, Greise weniger.
    Einen Moment schwankte ich, ob ich wie etliche andere zum Schauplatz gehen sollte. Dann entschied ich mich zur Rückkehr ins Haus, zum nächsten Kaffee. Ich machte rechtsum kehrt, streifte den schlurfenden Alten mit einem Blick und stutzte.
    »Matz…«, sagte ich. Aber dann dachte ich, es müsse sich um eine zufällige Ähnlichkeit handeln.
    »…bach«, ergänzte der alte Mann. Er blinzelte und blieb vor dem Gartentor stehen. »Wie mein Freund Hejo mal gesagt hat: Namen kann ich mir ja nicht merken, aber Gesichter vergeß ich sofort. Helfen Sie mir mal aus.«
    Ich bemerkte, daß sich ein Grinsen meiner Gesichtsmuskeln bemächtigte. »Sie sind das ja wirklich.«
    »Eher unwirklich, aber woher kennen wir uns?«
    »Bodo Bongartz«, sagte ich. »Vulgo BoBo. Wir haben uns vor vier oder fünf Jahren in Köln gesehen. Bei Yü und Dany.«
    »Muß länger her sein. Sieben, acht Jahre, seit die beiden ihre Rumkneipe in der Karibik aufgemacht haben.« Matzbach seufzte. »Bei manchen Leuten kann ich mich nicht einmal erinnern, sie je vergessen zu haben. Bei Ihnen mach ich eine Ausnahme.«
    Ich sah, wie er sich mit einer Hand am Pfosten des Gartentors festhielt und mit der anderen den Stockgriff umklammerte. »Wollen Sie sich ‘nen Moment setzen?«
    Matzbach nickte. »Seßhaftigkeit ist ein Laster, aber was nützen mir in meinem Alter Tugenden?«
    »Kommen Sie.« Ich öffnete das Tor. »Soll ich Ihren Arm nehmen?«
    »Den behalte ich.«
    Ich ging voraus und
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