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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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nicht zu dem, was er bis eben mit anhören musste. Wir saßen aufrecht und sittsam nebeneinander. Zwischen uns klaffte eine Lücke von geschätzt einem halben Meter. Wir hielten die Hände auf den Knien gefaltet, unsere Klamotten ordentlich zurechtgerückt und zugeknöpft. Troy hatte sein Haar zu einem Zopf geknotet, ich meins, so gut es ging, mit der Spange gebändigt. Er bezahlte den Fahrer und legte ein anständiges Trinkgeld obendrauf. Troy hätte ihm Muscheln in die Hand schütten können, dem Fahrer wäre es nicht aufgefallen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, jeden Winkel im hinteren Bereich nach Spuren von Sauerei abzusuchen.«
    »Und?«
    »Da war nichts, bis auf …«
    »Was?«
    »Er hätte ans Seitenfenster schauen sollen! Als er losfuhr, winkte mir zum Abschied mein Handabdruck an der beschlagenen Scheibe.«
    »Was für ein Finale!« Jetzt seufzen wir beide. Wir kuscheln uns in die Wolldecke ein, als sei sie unsere Erinnerung, in die wir uns ganz und gar einhüllen. Mein Rachen ist trocken vom Erzählen. Ich gurgele mit meiner Restpfütze kalten Kaffee und schlucke ihn runter – soll ja schön machen. Ich nehme mir Charlines Becher und trinke den auch leer. Das müsste reichen – zum schön werden, meine ich. Es ist halb sieben. Wir sind hellwach. Die meisten Kerzen sind abgebrannt, verlöscht, wie unsere Leidenschaft. Das Schummerige passt zu unserer Stimmung. Charline ergreift als Erste das Wort: »Was habt ihr dann gemacht?«
    Ich besinne mich wieder.
    »Gelacht. Das war dringend nötig, bei dem, was sich da angestaut hatte. Es ist so was von genial, wenn man sich ohne Worte versteht. Troy und ich lagen absolut auf einer Wellenlänge. Ich glaube, das ist der Schlüssel zu einer guten Beziehung. Alles andere ist zweitrangig. Troy verkörperte meine Idealvorstellung von einem Partner, der das Verfallsdatum von Liebe in unendlich umetikettierte. Jetzt machte ich mich eng umschlungen mit ihm auf den Weg zur Tube-Station …«
    »Zehn Schritte vor …«
    »… zwei zurück, … um ihn auf Nimmerwiedersehen loszulassen. Träume können so gemein sein. Die Rückfahrt verlief, Gott sei Dank, ohne Zwischenfälle. Aber ein bisschen mulmig wurde mir schon zumute, als wir einstiegen. Diesmal durchsuchte ich das Abteil samt Fahrgästen, bevor der Zug anfuhr, nach potenziellen Angst- und Bangemachern. Die Luft war rein, und ich durfte die letzten Minuten mit Troy einfach nur genießen.
    Ich wollte mehr Küsse, als es unsere Zeit zuließ, und so erreichten wir das Hotel erst um Punkt neun Uhr. Es war nötig, mich später als dich eintrudeln zu lassen, sonst wären wir uns bei unseren Abschiedsszenen in die Quere gekommen. Troy und ich standen uns unter dem Baldachin gegenüber. Er wirkte erschöpft – kein Wunder, nach dem ganzen Theater. Er zog seine Nase kraus, bis sie ganz weiß wurde. Ich wartete, bis sich seine Gesichtszüge wieder entspannten, und küsste ihn ein letztes Mal. Es war ein sanfter Kuss, beinahe vorsichtig. Ich schloss meine Augen und kostete das Spiel unserer Lippen aus, in der Hoffnung, nie mehr aufzuwachen, aber es sollte nun mal nicht sein. Mein Herz fühlte sich schwer an, als wir uns voneinander loslösten. Ich hätte Rotz und Wasser heulen können. Allein die Vorstellung, ich würde als Häufchen Elend in seinen Erinnerungen herumschluchzen, hielt mich davon ab, meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Ich blieb tapfer und trocken. Troy zog Zettel und Stift aus seiner Jackentasche. Er schrieb etwas auf und drückte mir das Papier in die Hand. Er legte zwei Finger auf seinen Mund, dann auf meinen. Er lächelte, drehte sich um und ging. Zehn Schritte vor …«
    »… zwei zurück.«
    »Ja.« Bei dem Gedanken an unseren Abschied steigt mir das Wasser in die Augen. Ich lasse es rauslaufen, jetzt darf ich ja. Charline geht es genauso. Sie blinzelt mich tränenverschleiert an.
    »Charline, ich wollte schreien! Ich sah mich ihm nachlaufen, mich auf den Boden schmeißen und winselnd an sein Bein klammern, während er mich humpelnd über den Asphalt schleifte. Geh nicht! Doch er verschwand aus meinem Traum ohne einen Blick zurück. Er war fort, und ich stand wie ein gefallener Engel an der Pforte zum Heavens Door – was für eine Ironie.«
    »Wie schrecklich«, schluchzt Charline. »Der Zettel, was stand auf dem Zettel?«
    »Eine Nummer mit Siebenen am Ende.«
    »Ja, und?«
    »In meinem Traum wusste ich nicht, was diese Nummer zu bedeuten hatte, aber das Rätsel löste sich, als ich am
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