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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour
Autoren: Ramona Wickmann
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dem fahrenden Wagen reichen. Der Taxifahrer raste, von dir angetrieben, durch die Straßen. Was musstest du ihn auch so hetzen. Man brauchte viel Fantasie, um hinterher in den bunten Streifen auf den Fotos Gebäude zu erkennen.
    » Harrods. « Für Geschäfte jeglicher Art benötigt Charline keine Vorlage, sie hat davon genug Bilder im Kopf. »Vollbremsung vor Harrods auf dein Kommando. Die Mitbringsel für die Kinder! Ich rumpelte von der Rückbank in den Fußraum – war mir wurst, Hauptsache, ich brauchte nicht mit rein. Du hast mich liegen lassen und versprochen, es würde nur fünf Minuten dauern. Der Fahrer parkte in zweiter Reihe mit Warnblinker an. Du bist rein und kamst tatsächlich pünktlich wieder raus, mit typischen London-Souvenirs unterm Arm, die man wirklich nur hier vor Ort kaufen konnte und nirgendwo anders: zwei T-Shirts von Esprit.«
    »Das ging ja voll in die Hose«, prustet Charline.
    »Allerdings.«

Unglaublich, aber wahr
    Wie beendet man eine verdammt gute Geschichte? Mit einem furiosen Finale! Ich habe noch eins in petto, und was für eins! Wenn ich nur wüsste, wie ich es präsentiere. Sie können sich sicher vorstellen, dass mir nach so einem Erzählmarathon langsam die Luft ausgeht. Ich freue mich über Ihr Durchhaltevermögen – auch wenn lesen weitaus weniger anstrengend ist als reden. Über etliche Stunden Neugier und Spannung aufrechtzuerhalten, bringt selbst mich an meine Grenzen. Nichtsdestotrotz – dieser Traum verdient es, ausführlich gewürdigt zu werden, er ist etwas Besonderes, weil er mich nachhaltig beeinflusst. Ich habe bis über beide Ohren in meinem alltäglichen Sorgenmüll festgesteckt und dringend eine Schaufel gebraucht. Das Werkzeug allein befreit einen nicht, man muss schon selbst die Ärmel hochkrempeln und sich da rausgraben. Meine Couchtouren mit Charline sind mein Weg aus jeder Art von depressiver Antriebslosigkeit.
    Wir recken uns und lüften die Decke. Ich vertrete mir die Beine auf dem Balkon und lasse frischen Wind rein. Es ist acht Uhr. Kaum zu glauben, draußen wird’s schon hell. Schon ist gut, es ist ein ziemlich trüber Morgen.
    »Weißt du was?«, tönt es aus der Sofaecke. Ich drehe mich um.
    »Das war die beste Geschichte aller Zeiten.« Charline kuschelt sich in die Waagerechte. Das geht runter wie Öl. Sie da jetzt so entspannt liegen zu sehen, macht mich doppelt glücklich. Sie zupft sich ihren Schlafplatz zurecht, wie ein Vogel sein Nest. Ich hatte ihr noch was Wichtiges zu sagen, sie durfte auf keinen Fall müde werden.
    »Was hältst du von Croissants? Ich hab welche zum Aufbacken da.«
    »Au ja!« Volltreffer. »Und Kakao!«
    »Kommt sofort. Schaltest du bitte das Radio an.«
    »Okay.« Ich verschwinde in die Küche und bereite unser Frühstück vor. Nur für mich singt Celine Dion My heart will go on . Ich kriege eine Gänsehaut.
    »Hörst du das?«, krakeelt Charline.
    »Natürlich. Mach lauter.«
    »Und der Steiner?«
    »Interessiert mich nicht die Bohne, mach lauter!« Ich singe leise mit – leise tut weniger weh –, zwei Oktaven höher. Charline steht plötzlich neben mir. Sie hat die Decke um ihre Schultern gelegt und sieht ganz zauselig aus am Kopf. Sie streicht mir über den Arm: »Soll ich dir helfen?«
    »Bleib einfach da.«
    »Okay.« Ich warte, bis die Milch kocht, während mich Charline beobachtet. Jetzt bloß nicht melancholisch werden, ich reiße mich zusammen.
    »Er kommt schon noch, dein Mr. Right.«
    »Meinst du?«
    »Ich weiß es.«
    »Schwör’s!« Charline hebt ihre Hand zum Schwur. Wie das aussieht, unter der Decke! Wenn mich diese Gestalt nicht überzeugt, wer sonst? Ich will ihr glauben, also tue ich es.
    »Hier, nimm du die Tassen, ich die Croissants.« Die Decke schlurft voran, zurück ins Wohnzimmer. Das Telefon klingelt, Herr Steiner, hundertprozentig. Ich erkenne sein Klingeln, es ist so … aggressiv. Charline kichert sich eins ins Fäustchen. Auf mein wildes Gewinke hin springt sie auf und sorgt per Knopfdruck für Ruhe. Ich warte noch einen Moment ab, dann gehe ich ran. »Hallo?«, gähne ich in den Hörer.
    »Frau Engel«, brüllt es am anderen Ende, »wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Herr Steiner, haben Sie mich tatsächlich aus dem Schlaf gerissen, um mich nach der Uhrzeit zu fragen? Halb neun! Zufrieden? Darf ich weiterschlafen?« Stille. Ich reibe mir die Hände, meine Offensive funktioniert. Der Giftzwerg ist verunsichert.
    »Die Musik«, druckst er herum, »dieses grässliche Gejaule kam doch aus
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