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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde
Autoren: Robert Tibber
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frischen Ampulle Serum.
    Sie sah mich nachdenklich an, tat aber, was ich ihr gesagt hatte.
    Ich kam mit der Nadel um den Tisch.
    »Was wollen Sie tun, Herr Doktor?«
    »Sie brauchen keine Angst zu haben. Nur ein Kratzer. Es ist nicht einmal eine Injektion.«
    Mrs. Buchanans Augen wurden groß. »Aber ich wollte doch Schlaftabletten haben.«
    Der Impfstoff war am Ende, noch immer warteten die Patienten. Es war ein Uhr, und wir hatten noch keine Hausbesuche gemacht.
    »Für heute vormittag ist Schluß.«
    Die Leute weigerten sich, heimzugehen.
    »Ich kann nicht weiterimpfen. Ich habe kein Serum. Bitte, kommen Sie morgen wieder.«
    »Könnte ich nicht heute abend kommen, Herr Doktor?« Bert Wilcox, ein Fernfahrer, sagte: »Ich bin morgen unterwegs. Ich muß vielleicht nach Liverpool fahren.«
    »Ich sag’ Ihnen, was Sie tun könnten, Bert«, antwortete ich. »Gehen Sie zum Gesundheitsamt und bringen Sie mir neues Serum, und dann werden Sie heute abend als erster geimpft. Ich gebe Ihnen einen Brief mit.«
    Langsam brachen die Leute auf. Miss Nisbet sah aus, als hätte man sie quer durch eine Hecke gezogen.
    »Wie viele Visiten sind notiert?« fragte ich.
    »Acht, und zwei von Dr. Miller.«
    Ich hatte vergessen, was ich Phoebe versprochen hatte.
    »Darf ich Sie etwas fragen?« sagte Miss Nisbet.
    »Wenn Sie nicht länger als zweiundeinehalbe Sekunde dazu brauchen«, sagte ich.
    »Werden Sie mich impfen?«
    Ich lachte laut.
    »Ich meine es ernst.«
    »Sie hat ganz recht«, sagte Robin. »Wenn du dir überlegst, mit wie vielen Menschen wir in Berührung kommen, brauchen wir die Impfung genauso nötig wie die anderen.«
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte ich. »Aber wir haben ja kein Serum.«
    »Wir werden es vom nächsten Serum machen«, sagte Robin. »Du impfst mich und ich dich, und wir beide impfen Miss Nisbet. Wir machen eine kleine Impfparty. Impfst du eigentlich deine Kinder?«
    »Peter und Penny? Nein, im Augenblick noch nicht. Ich halte das Ganze für übertrieben.«
    In der High Street indessen bestätigten die ausgehängten Zeitungen meine Ansicht keineswegs. »Zwei weitere Pockenverdächtige.« - »Ärzte verlangen nach mehr Serum!« - »Verkehrsbetriebe in Liverpool geschlossen.«
    Um halbdrei fiel mir ein, daß ich noch nichts gegessen hatte. Ich mußte noch eine Patientin von Phoebe Miller besuchen. Ich wollte die Visite, wenn auch mit einiger Anstrengung, noch erledigen, ehe ich mich stärkte. Die Adresse war in einer Ladenstraße. Ich ging an der Rückfront von Bäcker, Kolonialwarenhändler, Metzger und Eisenwarenladen vorbei und suchte nach dem Eingang zu den Wohnungen. Die Frau in dem Eisenwarengeschäft schickte mich zurück, vorbei am Metzger, Kolonialwarenhändler und Bäcker.
    Eine alte Dame, die mit Parkinsonscher Krankheit an ihr Zimmer gefesselt war, lächelte mir freundlich entgegen.
    »Wo ist Dr. Phoebe?«
    »Sie hat ihren freien Tag. Ich habe ihre Visite übernommen.«
    »Das macht nichts, mein Lieber. Es ist immer nett, einmal ein neues Gesicht zu sehen. Haben Sie mir den Zucker mitgebracht?«
    »Zucker?« Ich hielt im öffnen meiner Tasche inne.
    »Dr. Phoebe bringt mir immer ein Pfund Zucker mit, wenn sie dienstags kommt. Aber das macht nichts. Gehen Sie doch, bitte, zu Mrs. Griggs hinunter, sie wird es Ihnen geben. Sie weiß, daß ich nicht selbst kommen kann. Und bringen Sie mir bitte ein Päckchen Teegebäck mit, wenn es Ihnen nicht allzuviel Mühe macht.«
    Mir fiel Phoebe Millers Bericht über ihre alten Damen ein. Kein Wunder, daß diese auf sie schworen. Ich brachte den Zucker und die Biskuits. Auch warf ich für die alte Dame einen Brief an ihre Schwester in Rhodesien ein und bat beim Ölhändler um baldige Lieferung.
    Dann ging ich heim zum Essen.
    Bert Wilcox stand vor der Tür zum Sprechzimmer. Er streckte mir ein Päckchen entgegen, das ich ihm abnahm. »Gut gemacht, Bert. Sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.«
    Er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Darf ich hereinkommen und hier warten, Herr Doktor?«
    »Auf was?«
    »Aufs Impfen.«
    »Ich kann erst am Spätnachmittag weitermachen. Ich habe noch nicht einmal zu Mittag gegessen.«
    »Wenn ich jetzt dableibe, bin ich später der erste.«
    »Na gut. Wenn Sie wollen.«
    Sylvia hing am Telefon: »Bringen Sie ihn heute abend, der Doktor wird ihn impfen«, sagte sie. »Ja, bringen Sie ihn so gegen sechs Uhr, da wird er als erster drankommen.«
    Ich lachte schallend. »Nur zu deiner Information: die Abendsprechstunde hat bereits
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