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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde
Autoren: Robert Tibber
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also?«
    Miss Nisbet zögerte. »Ich weiß nicht, was Ronald dazu sagen wird.«
    »Am besten bleibt das unter uns«, sagte ich, »unter uns dreien.« ,
    »Wir drei«, sagte Robin und schlürfte Vitamin-B-Sirup aus einer Flasche, die der Reisende dagelassen hatte.
    »Na gut«, sagte Miss Nisbet.
    Ich legte einen Arm um ihre rundlichen festen Schultern. »Mein liebes Mädchen.«
    »Bitte, vergessen Sie nicht, daß ich verheiratet bin!«
    In der Luft lag Trägheit, es war nicht kalt, und die meisten Leute waren zu Hause.
    Ich mußte noch drei Hausbesuche machen. Ich parkte in Shakespeare Close hinter einem Kohlenwagen, der die Straße blockierte, und ging hinauf zu Nummer zwölf. Ein schmutziges Kind kam vom Straßenende her auf mich zugelaufen. Ich nahm an, daß es nach mir Ausschau hielt und daß noch ein weiterer Besuch fällig werden würde. Das Kind kam atemlos bei mir an.
    »Was ist denn?« fragte ich. Ob es ein Unfall war?
    Es hielt sich die Brust und atmete heftig.
    »Mama sagt, sie braucht einen Sack Kohlen.«
    Am Nachmittag schlief ich.
    »Es kommt mir irgendwie merkwürdig vor«, sagte ich zu Sylvia, »seit Jahren hatten wir keinen solchen Montag.«
    »Das hängt mit Neujahr zusammen. Was soll eigentlich Pennys Gerede wegen der Tanzerei?«
    »Keine Ahnung. Das erste, was ich davon höre.«
    »Ooooh, Papi, du hast es mir versprochen.«
    »Das ist mir neu.«
    »Ich habe dich gestern gefragt, als du im Bett lagst. Und du hast gesagt, ich darf tanzen gehen.«
    »Zum Tanzen! Sei nicht albern! Wie alt bist du eigentlich?«
    »Elf. So alt wie Peter. Wir sind nämlich Zwillinge, weißt du.«
    »Es gibt keinen Grund, frech zu werden. Wo soll es sein?«
    »Im Jugendklub. Für Zehn- bis Fünfzehnjährige. Und mit einer richtigen Kapelle.«
    »Mit wem willst du denn tanzen?«
    »Mit den Jungens. Roger Hill geht hin und Dennis Weatherhead.«
    »Kommt nicht in Frage. Du bleibst bei deinen Schularbeiten.«
    »Es ist am Samstagabend.«
    »Als ich so alt war wie du... «
    Sie sah mich flehend an. »Bitte!«
    »Nein.«
    »Vati... «
    »Ich muß mich fertig machen, die Sprechstunde beginnt gleich.«
    »Also darf ich?«
    »Nein. Frag mich nicht wieder.«
    An der Tür sagte sie theatralisch: »Du ruinierst mein ganzes Leben.«
    Mrs. Tenby brachte ihre Kinder zum Impfen; desgleichen Mrs. Graham. Als schließlich Michael Post mit aufgerolltem Hemdsärmel ankam, war mein Serum zu Ende.
    »Es ist seltsam«, sagte ich zu Sylvia abends über den Hamburgern, »alle wollen plötzlich geimpft werden.«
    Sylvia hielt die Abendzeitung hoch. Eine dicke Schlagzeile fiel mir ins Auge:
    POCKEN IN LIVERPOOL. SECHS VERDÄCHTIGE FÄLLE.
     

2
     
    Als ich vor dem Laboratorium des Gesundheitsamtes nach Impfstoff anstand, traf ich Phoebe Miller, eine Ärztin aus der Nachbarschaft, ferner die Ärzte Letts, Maugham und Talbot, die Mitglieder unseres Sonntags-Bereitschaftsdienstes waren, sowie Dr. Green, Dr. Colgate und Dr. Weatherhead, die nicht dazu gehörten.
    »Sie rationieren bereits«, sagte Phoebe Miller. »Es hat sie völlig überrascht.«
    »Natürlich, das auch noch, als ob wir nicht schon genug Schwierigkeiten hätten.«
    »Ich bin froh, daß ich Sie getroffen habe. Ich möchte Sie nämlich um eine kleine Gefälligkeit bitten.«
    »Aber gern.« Ich mochte Phoebe Miller, und sie hatte mir auch des öfteren schon geholfen.
    »Morgen ist drüben in Leicester eine Hundeausstellung. Glauben Sie, Sie könnten solange meine paar Patienten mitversorgen?«
    »Mit Vergnügen.«
    »Schrecklich nett von Ihnen. Es ist jetzt sowieso eine stille Zeit bei mir, und ich dachte, ich könnte riskieren, nach Leicester zu fahren.«
    »Aber selbstverständlich.«
    »Fünfundzwanzig Dosen!« sägte Dr. Colgate, der vom Ausgabeschalter mit einer kleinen Schachtel und einem Stapel gelber Karten zurückkehrte. »Heute nachmittag vielleicht noch mehr.«
    »Wissen Sie was«, sagte Phoebe Miller, »ich werde später nochmals hergehen und für Sie die zweite Ration abholen.«
    »Das ist reizend von Ihnen.«
    »Nun, eine Hand... «
    Bereits um sieben Uhr früh begann das Telefon zu schrillen. »Diese Pockenepidemie, Herr Doktor, glauben Sie, meine Kinder sollten nochmals geimpft werden?« - »Ich möchte mich impfen lassen, Herr Doktor. Kann ich zu Ihnen kommen?« - »Mein Mann
    hat einen Schleifer in der Fabrik, dessen Schwager einem Mann die Hand gegeben hat, der mit seiner Tante aus Liverpool zusammen war. Meinen Sie...?« - »Ich muß geschäftlich nach Southport.
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