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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Autoren: Agatha Christie
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noch Godfrey Burrows, der Sekretär des Alten – ich meine: meines Onkels –, und schließlich Miss Lingard, die ihm geholfen hat, die Geschichte der Chevenix-Gores zu schreiben. Sie sucht für Schriftsteller immer die historischen Sachen heraus. Und das war’s dann wohl, glaube ich.«
    Poirot nickte. Dann sagte er: »Soviel ich verstanden habe, haben Sie also den Schuß, der Ihren Onkel tötete, tatsächlich genau gehört?«
    »Ja, das haben wir. Wir dachten, es wäre ein Sektkorken – wenigstens dachte ich es. Susan und Miss Lingard glaubten, draußen wäre ein Wagen vorbeigekommen und hätte eine Fehlzündung gehabt – die Straße ist ziemlich nahe, wissen Sie!«
    »Und wann war das?«
    »Ach, etwa um zehn nach acht. Snell hatte gerade zum erstenmal gegongt.«
    »Und wo waren Sie, als Sie den Schuß hörten?«
    »In der Halle. Wir – wir lachten noch darüber und stritten uns, woher der Knall kam. Ich sagte, er käme aus dem Eßzimmer, Susan sagte, er käme aus der Richtung des Wohnzimmers, und Miss Lingard sagte, es klänge, als käme es von oben, und Snell sagte, es käme draußen von der Straße, nur daß der Knall oben durch die Fenster hereingekommen wäre. Und Susan sagte noch: ›Hat jemand noch eine andere Theorie?‹ Und ich lachte und sagte, Mord käme überall vor! Wenn man es sich jetzt überlegt, klingt es doch ziemlich gemein.«
    In seinem Gesicht zuckte es nervös.
    »Ist Ihnen denn nicht der Gedanke gekommen, Sir Gervase könnte sich erschossen haben?«
    »Nein – natürlich nicht!«
    »Sie haben demnach keine Ahnung, warum er sich erschossen haben könnte?«
    Langsam sagte Hugo: »Ach Gott – so kann man es nun auch wieder nicht ausdrücken…«
    »Sie haben also eine gewisse Ahnung?«
    »Ja – schon – es ist so schwer zu erklären. Natürlich habe ich nicht damit gerechnet, daß er Selbstmord verüben würde, aber so fürchterlich überrascht es mich nun auch nicht. Wenn Sie es genau wissen wollen, Monsieur Poirot: Mein Onkel war völlig übergeschnappt. Das war jedem klar.«
    »Und das genügt Ihnen als Erklärung?«
    »Bringen sich denn nicht auch Leute um, die nur leicht blöd sind?«
    »Das ist eine Erklärung von bewundernswerter Schlichtheit.«
    Hugo blickte ihn verdutzt an.
    Poirot stand wieder auf und wanderte ziellos durch das Zimmer. Es war behaglich eingerichtet, zumeist im wuchtigen Stil der viktorianischen Zeit: massive Bücherschränke, gewaltige Lehnsessel und ein paar echte Chippendalestühle. Herumstehen tat nicht viel; einige Bronzen auf dem Kaminsims lenkten jedoch Poirots Aufmerksamkeit auf sich und erregten offenbar seine Bewunderung. Nacheinander nahm er sie in die Hand und betrachtete sie prüfend, ehe er sie wieder sorgfältig an ihren Platz stellte. Von jener Bronze, die am weitesten links stand, löste er mit dem Fingernagel irgend etwas ab.
    »Was ist das?« fragte Hugo ohne allzu viel Interesse.
    »Nichts von Bedeutung. Ein winziger Splitter Spiegelglas.«
    »Komisch«, sagte Hugo, »daß der Spiegel durch den Schuß zersplittert ist. Ein zersplitterter Spiegel bedeutet Unglück. Armer alter Gervase… Wahrscheinlich hat sein Glück ein bißchen zu lange gedauert.«
    »War Ihr Onkel denn ein glücklicher Mensch?«
    Hugo lachte kurz auf.
    »Schließlich war sein Glück schon sprichwörtlich! Was er auch anfaßte, verwandelte sich in Gold! Wenn er auf einen Außenseiter wettete, galoppierte der den Sieg nach Hause. Steckte er Geld in ein zweifelhaftes Bergwerk, stießen die Leute sofort auf neue Erzlager. Aus den aussichtslosesten Situationen ist er immer wieder ganz knapp herausgekommen. Mehr als einmal ist sein Leben durch eine Art von Wunder gerettet worden. Auf seine Weise war er wirklich ein ziemlich netter alter Knabe, verstehen Sie. Und bestimmt hat er mehr erlebt als die meisten seiner Generation.«
    In leichtem Ton murmelte Poirot: »Sie hingen an Ihrem Onkel, Mr. Trent?«
    Diese Frage schien Hugo Trent etwas zu verwirren. »Ich – äh – o ja, doch, natürlich«, sagte er ziemlich unsicher. »Wissen Sie – manchmal war er schon ein bißchen schwierig. Furchtbar anstrengend war es, mit ihm zusammenzusein. Glücklicherweise brauchte ich ihn nicht allzu häufig zu besuchen.«
    »Er hingegen mochte Sie sehr gern?«
    »So deutlich ist es mir nicht aufgefallen! Wenn Sie es genau wissen wollen: Er nahm mir meine Existenz übel, wie man so sagt.«
    »Wie kommen Sie darauf, Mr. Trent?«
    »Ach Gott – wissen Sie: Er hatte doch selbst keinen Sohn, und das
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