Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
ist zwar kein Geheimnis, daß er völlig übergeschnappt war. Aber trotzdem kann ich mir einfach nicht vorstellen, daß er glaubte, die Welt könne ohne ihn auskommen.«
    »Ja«, sagte Poirot. »Das ist allerdings ein Gesichtspunkt.«
    Und anerkennend blickte er dem jungen Mann in das offene und intelligente Gesicht. Major Riddle räusperte sich.
    »Da Sie nun schon einmal hier sind, Captain Lake, nehmen Sie vielleicht Platz und beantworten mir ein paar Fragen.«
    »Gewiß, Sir.«
    Lake zog sich einen Stuhl heran und setzte sich den beiden gegenüber.
    »Wann haben Sie Sir Gervase zum letztenmal gesehen?«
    »Heute nachmittag, kurz vor drei Uhr. Einige Abrechnungen mußten geklärt werden, und außerdem ging es um einen neuen Pächter für einen der Höfe.«
    »Wie lange waren Sie bei ihm?«
    »Vielleicht eine halbe Stunde.«
    »Überlegen Sie genau und sagen Sie, ob Ihnen an Sir Gervases Verhalten irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.«
    Der junge Mann dachte nach.
    »Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Vielleicht war er ein bißchen aufgeregt – aber das war bei ihm keineswegs ungewöhnlich.«
    »Er war also nicht irgendwie deprimiert?«
    »O nein! Er schien vielmehr guter Laune zu sein. Seit er an der Geschichte seiner Familie arbeitete, war dies für ihn ein großartiger Spaß.«
    »Wie lange hatte er sich schon damit beschäftigt?«
    »Angefangen hat er damit vor etwa sechs Monaten.«
    »Und damals kam auch Miss Lingard hierher?«
    »Nein. Sie kam erst vor etwa zwei Monaten, als er entdeckt hatte, daß er die erforderlichen Nachforschungen allein nicht erledigen konnte.«
    »Und Sie glauben, es machte ihm viel Spaß?«
    »O ja – sehr sogar! Er kam gar nicht auf die Idee, daß es auf dieser Welt neben seiner Familie noch etwas Wesentliches gäbe.«
    In der Stimme des jungen Mannes schwang vorübergehend eine leichte Verbitterung mit.
    »Soweit Sie informiert sind, hatte Sir Gervase also keinen Grund zu irgendwelchen Sorgen?«
    Es folgte eine kleine – ganz kleine – Pause, bevor Captain Lake antwortete.
    »Nein.«
    Poirot warf plötzlich eine Frage dazwischen.
    »Sir Gervase machte sich Ihrer Ansicht nach auch keine Sorgen irgendwelcher Art über seine Tochter?«
    »Über seine Tochter?«
    »Genau das sagte ich.«
    »Nicht daß ich wüßte«, sagte der junge Mann förmlich. Poirot schwieg daraufhin. Statt dessen sagte Major Riddle:
    »Dann danke ich Ihnen, Lake. Vielleicht bleiben Sie noch eine Weile erreichbar, falls ich Sie etwas fragen möchte.«
    »Gewiß, Sir.« Er erhob sich. »Kann ich sonst noch etwas tun?«
    »Ja – vielleicht schicken Sie den Butler her. Und vielleicht können Sie sich erkundigen, wie es Lady Chevenix-Gore geht und ob ich mich in absehbarer Zeit kurz mit ihr unterhalten kann, oder ob sie dazu noch zu aufgeregt ist.«
    Der junge Mann nickte und verließ mit schnellem, entschlossenem Schritt das Zimmer.
    »Ein reizender Mann«, sagte Hercule Poirot.
    »Ja, ein netter Kerl – und tüchtig. Er ist überall beliebt.«

    »Nehmen Sie Platz, Snell«, sagte Major Riddle in freundlichem Ton. »Ich habe Sie eine ganze Menge zu fragen, und wahrscheinlich war das alles für Sie ein ziemlicher Schock.«
    »Das war es, weiß Gott, Sir. Vielen Dank, Sir.« Snell setzte sich so unauffällig hin, daß es praktisch genauso war, als wäre er stehengeblieben.
    »Sie sind jetzt doch schon ziemlich lange hier, nicht wahr?«
    »Seit sechzehn Jahren, Sir. Seit Sir Gervase – äh – zur Ruhe kam, wie man so sagt.«
    »Richtig. Ihr Herr ist seinerzeit sehr viel herumgereist.«
    »Ja, Sir. Er nahm an einer Polarexpedition teil und hat viele interessante Gegenden aufgesucht.«
    »Übrigens, Snell – können Sie mir sagen, wann Sie Ihren Herrn heute abend zum letztenmal gesehen haben?«
    »Ich war gerade im Speisezimmer, Sir, und vergewisserte mich, daß die Tafel richtig gedeckt war. Die Tür zur Halle stand offen, und ich sah, wie Sir Gervase die Treppe herunterkam, die Halle durchquerte und durch den Gang in sein Arbeitszimmer ging.«
    »Um welche Zeit war das?«
    »Kurz vor acht Uhr. Möglicherweise ist es fünf Minuten vor acht gewesen.«
    »Und bei dieser Gelegenheit haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
    »Ja, Sir.«
    »Haben Sie einen Schuß gehört?«
    »Ja, Sir – das habe ich! Aber natürlich war es mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar! Wie sollte es auch?«
    »Für was haben Sie ihn denn gehalten?«
    »Ich glaubte, es wäre ein Wagen, Sir. Die Straße läuft gleich hinter der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher