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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Autoren: Agatha Christie
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abgeschlossen.«
    »Abgeschlossen?«
    Es war die Stimme eines Mannes: jung, lebhaft und mit einem leichten Anflug von Erregung. Der junge gutaussehende Mann mit dem zurückgekämmten Haar hatte diese Frage gestellt. Mit wenigen Schritten näherte er sich der Tür und sagte: »Soll ich lieber nachsehen…?«
    Aber sehr ruhig übernahm Poirot jetzt das Kommando. Er tat es so selbstverständlich, daß keiner es als merkwürdig empfand, daß dieser gerade eingetroffene Fremde sich anmaßte, in dieser Situation die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
    »Kommen Sie«, sagte er. »Begleiten Sie mich zum Arbeitszimmer.«
    Und zu Snell gewandt sagte er: »Zeigen Sie uns bitte den Weg.«
    Snell gehorchte. Poirot folgte ihm auf dem Fuß, und wie eine Schafherde kamen die übrigen hinterher.
    Snell führte Poirot durch die große Halle, an dem weitgeschwungenen Bogen der Treppe, an einer riesigen Standuhr und schließlich an einer Nische vorbei, in der sich der Gong befand, sowie durch einen schmalen Gang, der vor einer Tür endete.
    Hier schob Poirot den Butler beiseite und drückte vorsichtig auf die Türklinke. Sie ließ sich zwar bewegen, aber die Tür öffnete sich nicht. Höflich klopfte Poirot mit den Knöcheln gegen die Türfüllung. Dann wurde sein Klopfen immer lauter. Plötzlich hörte er damit auf, ließ sich auf das Knie nieder und preßte sein Auge an das Schlüsselloch.
    Langsam erhob er sich und sah sich um. Sein Gesicht war ernst.
    »Meine Herren«, sagte er. »Wir müssen diese Tür sofort aufbrechen.«
    Unter seiner Anleitung warfen sich die beiden jungen Männer, die beide groß und kräftig gebaut waren, gegen die Tür. Es war keine leichte Aufgabe. Die Türen von Hamborough Close waren solide gearbeitet.
    Schließlich gab das Schloß jedoch nach; krachend und splitternd drehte sich die Tür in ihren Angeln. Und dann blieben alle, dicht gedrängt vor der Tür stehend und in das Zimmer hineinblickend, wie erstarrt stehen. Die Lampen brannten. An der linken Wand stand ein großer Schreibtisch, ein massives Möbelstück aus schwerem Mahagoni. Nicht am, sondern mit der einen Seite zum Schreibtisch gewandt, so daß der Rücken zur Tür zeigte, saß ein großer Mann schlaff im Schreibtischstuhl. Kopf und Oberkörper waren über die rechte Lehne geneigt, während die rechte Hand und der rechte Arm schlaff hinunterhingen. Unmittelbar unter der Hand lag eine kleine Pistole auf dem Teppich…
    Irgendwelche Überlegungen waren nicht nötig. Das Bild war deutlich genug. Sir Gervase Chevenix-Gore hatte sich erschossen.

    Sekundenlang verharrte die im Türrahmen stehende Gruppe regungslos und starrte auf das Bild. Dann ging Poirot näher. Im gleichen Augenblick sagte Hugo Trent aufgeregt: »Mein Gott, der Alte hat sich erschossen!«
    Und Lady Chevenix-Gore stieß ein langes zitterndes Stöhnen aus.
    »Oh, Gervase – Gervase!«
    Ohne sich umzudrehen, sagte Poirot scharf: »Bringen Sie Lady Chevenix-Gore weg. Sie kann hier doch nichts tun.«
    Der ältere soldatische Mann gehorchte. »Komm, Vanda«, sagte er. »Komm, Liebling. Du wirst hier nicht gebraucht. Es ist schon vorüber. Ruth, komm mit und kümmere dich um deine Mutter.«
    Aber Ruth Chevenix-Gore hatte sich in das Zimmer gedrängt und stand dicht neben Poirot, als dieser sich über die Gestalt beugte, die so entsetzlich in dem Schreibtischstuhl hing – die herkulische Gestalt eines Mannes mit dem Bart eines Wikingers.
    Mit leiser gespannter Stimme, die merkwürdig verhalten und erstickt klang, sagte sie: »Glauben Sie bestimmt, daß er – tot ist?«
    Poirot blickte zu ihr hoch.
    Das Gesicht des Mädchens spiegelte irgendeine Gefühlsregung wider – eine sehr beherrschte und unterdrückte Gefühlsregung, die er nicht ganz begriff. Es war nicht Kummer, sondern eher eine Art fast ängstlicher Erregung.
    Die kleine Frau mit dem Kneifer murmelte: »Ihre Mutter, Kind – vielleicht sollten Sie lieber…«
    Mit heller hysterischer Stimme rief das Mädchen mit dem roten Haar plötzlich: »Dann war es also doch kein Auto und kein Sektkorken! Dann haben wir den Schuß gehört…«
    Poirot drehte sich um und blickte die andern an.
    »Irgend jemand sollte der Polizei Bescheid sagen…«
    Unbeherrscht schrie Ruth Chevenix-Gore auf: »Nein!«
    Der ältere Mann mit dem hageren Gesicht sagte: »Ich fürchte, das wird sich nicht umgehen lassen. Wollen Sie das vielleicht übernehmen, Burrows? Hugo…«
    »Sie sind Mr. Hugo Trent?« sagte Poirot zu dem hochgewachsenen jungen
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