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Atomgewicht 500

Atomgewicht 500

Titel: Atomgewicht 500
Autoren: Hans Dominik
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Wagen an und eilte im Hundertkilometertempo über die Auto-Straße dahin. Mit Behagen ließ der Doktor sich den kräftigen Fahrwind um die heiße Stirn wehen und fühlte, wie seine üble Laune allmählich einer gleichmäßig ruhigen Stimmung wich.
    Ein wenig trugen dazu auch die Fragen bei, die Joe Schillinger während der Fahrt an ihn stellte. Der alte Schillinger war in Deutschland mit dem Vater Dr. Wandels eng befreundet gewesen und später nach den Staaten ausgewandert. Das lag jetzt rund ein Menschenalter zurück, aber die Verbindung mit den deutschen Freunden war durch Besuche in der alten Heimat immer wieder aufgefrischt worden und lebendig geblieben. Auch Joe Schillinger, obwohl in den Staaten geboren, sprach fließend Deutsch, und als Dr. Wandel vor etwa einem halben Jahr nach Detroit kam, wurde er in dessen Haus mit offenen Armen empfangen. Jetzt machte er sich fast Vorwürfe, daß er diese Freundschaft so lange vernachlässigt hatte.
    „In der Fabrikation wollen wir Mr. Ford keine Konkurrenz machen”, sagte Joe Schillinger, während der Wagen am Ufer des Saint-Clair-Sees entlangrollte, „aber was die Reparaturen betrifft, da können wir ihm schon einiges vormachen. In unserm neuen Werk haben wir sogar Martinöfen und Schmiedepressen aufgestellt. Wenn uns jetzt jemand seinen verbeulten Wagen bringt, brauchen wir nicht erst über tausend Meilen nach Ersatzteilen zu telegraphieren. Wir stellen sie schneller und ebenso billig in eigener Fabrikation her.”
    Während Schillinger das sagte, ging Dr. Wandel ein Gedanke durch den Kopf. Unbestimmt und verschwommen zuerst noch, doch während der andere weitersprach, nahm die Idee immer festere Formen an.
    „Martinöfen und Schmiedepressen”, meinte er, als Schillinger mit seiner Werkschilderung zu Ende war, „das ist interessant, die würde ich gern mal sehen.”
    „Kann geschehen, Doktor, da liegt das Werk ja schon vor uns. Zum Kaffee ist's ohnehin noch zu früh. Wenn's Ihnen recht ist, sehen wir uns die Sache gleich mal an.”
    Der Wagen hatte inzwischen das Tor erreicht und rollte über den weiten Werkhof. Langgestreckte Schuppen zu beiden Seiten machten weit eher den Eindruck einer großen Fabrik als einer einfachen Reparaturwerkstätte. Mehrere hundert Wagen standen in Reihen ausgerichtet auf dem Hof. Die einen noch in dem bedauernswerten Zustand, in dem sie von ihren Besitzern eingeliefert wurden, die andern schon wieder schmuck und schön, bereit zu neuen Fahrten.
    „Ach ja! Gott sei Dank wird allerhand in den Staaten entzweigefahren”, sagte Schillinger mit einem Blick auf die Wagenmengen. „Wir machen ein gutes Geschäft damit.”
    Durch endlose Hallen und Werkstätten führte er seinen Gast. Nicht ohne Stolz wies er auf das laufende Band in der Lackiererei, in der ein paar Dutzend Werkleute mit Spritzpistolen arbeiteten. Äußerlich noch unansehnlich, kamen die reparierten Wagen an der einen Seite auf das Band. Dann zischten die Pistolen in den Händen der Arbeiter, ein Farbnebel spielte um das einzelne Fahrzeug, hier ein lichtes Grün, dort ein schimmerndes Rot oder ein sattes Blau, und schon wenige Minuten später liefen sie, mit einem neuen, spiegelnden Lackbezug versehen, vom andern Ende des Bandes ab.
    Es war gewiß eine technische Leistung ersten Ranges, doch Dr. Wandel folgte den Erklärungen seines Freundes nur mit halbem Ohr. Es drängte ihn, weiterzukommen, und nachdem sie noch zehn andere Hallen durchwandert hatten, erreichten sie auch glücklich die Schmiede.
    Gigantisch ragte in der Mitte des hohen Raumes das Gestell einer hydraulischen Presse empor. Joe Schillinger sprach ein paar Worte mit dem Meister und wandte sich dann an Dr. Wandel.
    „Wir wollen ein wenig warten, Doktor. Die Leute haben gerade die Kupplung für einen schweren Traktor vor. Das Stück muß gleich aus dem Glühofen kommen.”
    Sie brauchten nicht lange darauf zu warten. Schon fuhren Kranzangen in den Ofen und zogen eine schwere hellrote Stahlmasse aus der Glut. Hitze und Licht durch den Raum verbreitend, schwebte sie am Kran zu der Presse hin, und dann traten die mächtigen Pressebacken in Tätigkeit. Wie weiches Wachs kneteten und formten sie den heißen Stahl, während der Meister, die Zeichnung in der Hand, darüber wachte, daß das Werkstück unter dieser gewaltsamen Behandlung die vorgeschriebene Form annahm. Schweigend stand Dr. Wandel dabei und verfolgte den Werdegang des großen Schmiedestückes. Wie in Gedanken verloren, griff er in die Tasche, zog eine
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