Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atomgewicht 500

Atomgewicht 500

Titel: Atomgewicht 500
Autoren: Hans Dominik
Vom Netzwerk:
sei. Daß Wilkin bei der United arbeitete, war White bereits bekannt, und im weiteren Verlauf des Gesprächs machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Mit großem Freimut äußerte er sich über die schlechten Arbeitsbedingungen in den Farbwerken und schimpfte abwechselnd über miserable Bezahlung und engstirnige Vorgesetzte, während er eine Lage Bier nach der anderen anfahren ließ. Zuerst ließ Wilkin ihn reden, dann aber begann er, ganz gegen seine sonstige Art, ebenfalls aus sich herauszugehen, und schließlich kam eine halbe Stunde, in der er fast allein sprach.
    Von seiner angenehmen Stellung als Erster Assistent bei Professor Melton erzählte er, und ein Wort gab dabei das andere. Auf den querköpfigen deutschen Doktor kam er zu sprechen. Offenbar ein Protektionskind der Direktion, sei der vor einem Vierteljahr mit ganz verschrobenen Ideen in die Abteilung hineingeschneit, aber sie würden ihn schon bald zahm bekommen. Professor Melton sei der richtige Mann, um solche Leute ablaufen zu lassen.
    Tom White hörte aufmerksam zu und warf nur noch hin und wieder ein Wort in die Unterhaltung, wenn Wilkin einmal in seinem Redefluß erlahmte.
    „Der deutsche Doktor ist jetzt schon kaltgestellt. Die neue Versuchsreihe werde ich zusammen mit Professor Melton bearbeiten”, beendete Wilkin schließlich seine Ausführungen.
    Der andere seufzte. „Sie sind ein Glückspilz, Wilkin. Wer es doch so gut treffen könnte wie Sie! Ließe sich in Ihrer Abteilung nicht vielleicht auch ein Plätzchen für mich finden?”
    Unter dem Einfluß des Alkohols liefen Wilkins Gedanken anders als sonst. Durch und durch Egoist, hätte er unter andern Umständen die Frage von White wohl mit einer höflich ablehnenden Antwort beiseite geschoben. Jetzt aber sagte er mit Gönnermiene:
    „Man könnte es einmal versuchen. Schicken Sie doch ein Bewerbungsschreiben an Professor Melton, in dem Sie unsere Bekanntschaft und gemeinsame Studienzeit erwähnen. Dann wird er mich sicherlich nach Ihrer Person fragen, und ich glaube, mein lieber White, meine Stimme hat bei Professor Melton einiges Gewicht.”
    In überschwenglichen Worten sprach Tom White dem Assistenten seinen Dank für den guten Rat und seine Fürsprache aus. Gleich morgen früh wollte er das Schreiben an Professor Melton aufsetzen.
    „Sobald die Sache klappt, werde ich Sie anrufen und Ihnen Bescheid sagen”, versprach Wilkin. „Unter welcher Nummer kann ich Sie in den Farbwerken erreichen?”
    Tom White schien um eine Antwort verlegen zu sein.
    „Es wäre mir angenehmer, wenn Sie mich nicht an meiner Arbeitsstelle anriefen”, sagte er nach einigem Zögern. „Bei uns werden die Telephongespräche der Angestellten häufig von der Zentrale belauscht. Schreiben Sie mir lieber ein paar Zeilen in meine Wohnung. Hier haben Sie meine Adresse.”
    „Wie Sie wünschen, Mr. White”, sagte Wilkin, während er die Adresse an sich nahm, „ich kann Ihre Bedenken verstehen.” Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Großer Gott, wo ist die Zeit geblieben! Für heute wollen wir Schluß machen, morgen ist auch noch ein Tag. Vergessen Sie nicht, Ihr Gesuch einzureichen.”
    Während der letzten Worte griff er bereits nach Stock und Hut.
    Großzügig ließ er es zu, daß White die ganze Zeche beglich, obwohl dessen Gehalt in den Farbwerken nach seiner eigenen Aussage doch beklagenswert niedrig war. Draußen auf der Straße noch ein kräftiger Händedruck, und die beiden alten Bekannten gingen nach verschiedenen Richtungen auseinander.
    *
    Von Detroit bis zu dem Städtchen Salisbury in Delawäre, in der die Dupont Company ihren Sitz hatte, sind es nur hundert geographische Meilen, und die amerikanische Flugpost arbeitet schnell. Schon am Nachmittag des folgenden Tages hielt Mr. Spinner, der Chef der Nachrichtenabteilung von Dupont, einen Brief in den Händen, in dem die Unterredung zwischen Phil Wilkin und Tom White fast wortgetreu zu lesen stand. Mr. Spinner studierte das Schriftstück sehr gründlich, und die anerkennenden Worte, die dabei gelegentlich von seinen Lippen fielen, hätten Tom White sicherlich erfreut, wenn er sie gehört hätte. Nun ließ Mr. Spinner das Schreiben sinken und fuhr in seinem Selbstgespräch fort.
    „Hm, hm! Auf die Manier hat der Junge die Sache gedreht. Soll eine Verbindung mit Doktor Wandel aufnehmen, zieht es aber vor, sich an Wilkin 'ranzumachen; auch nicht übel — kann recht nützlich sein. Geht verflucht hart an den Wind, der Boy! Trotzdem, wenn es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher