Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt

Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt

Titel: Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt
Autoren: Rüdiger Schäfer
Vom Netzwerk:
Wahrnehmung und Interpretation von Objekten und Situationen? Und genau das tat Calipher. Er nahm wahr, er interpretierte, er verarbeitete und erzeugte elektrische Impulse. Er fühlte .
    Früher hatte er nie über solche Dinge nachgedacht. Früher war noch vieles anders – richtig – gewesen. Er war ein Kampfroboter. Kampfroboter dachten nicht nach, sie führten Befehle aus. Sie zerstörten und schufen dadurch klare Verhältnisse. Doch Kampfroboter – zumindest jene von seiner Befähigung – waren auch hochkomplexe Systeme, in der Lage, ihre Programme bis zu einem gewissen Grad selbständig zu verändern und zu erweitern, aus Fehlern zu lernen. Somit unterlagen sie fraglos einer Art begrenzter Evolution.
    Ja, Calipher hatte Zeit gehabt. Viel Zeit. Roboter schliefen nicht, aber sie träumten . Zumindest glaubte er, dass das, was er aus sich heraus erzeugte, dass die Bilder, die nicht in ihm gespeichert waren, sondern in ihm entstanden , so etwas wie Träume waren. Er liebte es zu träumen, denn viel mehr blieb ihm nicht, um gegen die Ewigkeit zu bestehen.
    Als der Träger des Lichts eintraf, hatte Calipher zunächst geglaubt, dass alles wieder so werden könnte wie früher, doch dann musste er erkennen, dass sich die Welt um ihn herum verändert hatte, so sehr verändert, dass sie ihm in jeder Nanosekunde kalt und fremd und falsch vorkam. Atlan war der einzige Orientierungspunkt in einer chaotischen Umgebung gewesen. Calipher hatte nicht begriffen, warum ein Träger des Lichts nach so langer Zeit an Bord der Experimentalstation gekommen war, aber das war auch gar nicht wichtig. Er war ein Kampfroboter und hatte wieder einen Auftrag. Das war alles, was zählte.
    Der zentrale Hohlraum war verlassen. Nur die drei Baracken, einige halb zusammengefallene Zelte und die Trümmer der Strahlkanone zeugten davon, dass es hier noch vor kurzem sehr geschäftig zugegangen war. Natürlich hatte Calipher die Eindringlinge von Beginn an beobachtet, doch da sie ihn in Ruhe gelassen und nichts beschädigt hatten, hatte er keine Veranlassung gesehen einzugreifen. Sie hatten Leitungen verlegt, Ausrüstung herangeschleppt und komplizierte Messgeräte aufgebaut. Mit dem Auftauchen Atlans hatte sich alles verändert. Die Eindringlinge wandten sich offen gegen einen Träger des Lichts, und schon für die Absicht allein hatten sie den Tod verdient.
    Calipher spürte, wie einige seiner neuronalen Schaltkreise flackerten. War das Trauer? Enttäuschung? Bedauern? Es fiel ihm manchmal schwer, seine Gefühle einzuordnen, und er fragte sich dann, ob es den organischen Lebewesen genauso ging. Gefühle waren so völlig anders als die ihm nicht minder vertraute Logik, doch er hatte niemanden, mit dem er darüber reden konnte.
    Die Experimentalstation stand kurz davor, endgültig zum Leben zu erwachen. Calipher hatte nie verstanden, was Anat Serkuloon und die anderen Lemurer hier an Bord getan hatten, aber das kümmerte ihn nicht. Die Jahre an der Seite des Meisters waren so kurz gewesen, und doch quollen seine Speicher beinahe über vor Erinnerungen an die Vergangenheit. Er wünschte, er hätte ein paar von ihnen mit Atlan teilen können.
    Wie hatte der Träger des Lichts die Station bezeichnet? Monolith. Dem Roboter gefiel der Name. Er klang viel besser als Experimentalstation . Atlan war sicher ein hervorragender Meister, und Calipher beschloss, die letzten Minuten damit zu verbringen, sich vorzustellen, wie sich das Leben an der Seite des weißhaarigen Mannes mit den rötlichen Augen angefühlt hätte. Ja, ein solcher Traum war der Situation angemessen – und Anat Serkuloon hätte sicher nichts dagegen gehabt.
    Calipher kehrte in die Steuerzentrale des Pfortenhauses zurück und ließ sich dort zu Boden sinken. Ob sich Atlan ab und zu an ihn erinnern würde? Er hoffte es. Ein paar Minuten noch, dann würde er das letzte und mächtigste aller Gefühle kennenlernen, das Gefühl zu sterben.
    Und zum ersten Mal seit über 50.000 Jahren war Calipher wieder glücklich.

 
    Kapitel 38
     
     
    Atlan
     
    Das Erschrecken, das ich beim Blick in die Gesichter der Zentralebesatzung empfand, musste mir wohl deutlich anzusehen sein, denn Naileth Simmers trat sofort auf mich zu und hob beschwichtigend beide Arme. Ihr kurzes, blondes Haar war schweißverklebt und hing ihr wirr ins blutverschmierte Gesicht. Auf der Stirn prangte eine fünf Zentimeter lange Risswunde, und in den grünbraunen Augen spiegelte sich pure Erschöpfung.
    »Eine lange Geschichte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher