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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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neben die Wirbelsäule, trieb das Messer hinein, drehte es und schob zum Rückenmark weiter, alles in einer Bewegung. Das Zucken der Wache spürte Savn bis in den Oberarm, und wenn er sich etwas Komplizierteres vorgenommen hätte, wäre es ihm nicht gelungen. Doch es war eine Bewegung wie bei Meister Wack, als er einmal einen Klettwurm aus Lakees Schenkel entfernt hatte. Eine Bewegung, einstechen, drehen und herausholen. Einen Klettwurm entfernen oder das Rückenmark durchtrennen, wo lag da der Unterschied?
    Er wußte, auf was er zielte und auch, was es bewirkte. Die Wache ging zu Boden, als seien seine Beine aus Wasser, nur ein leises Keuchen ertönte, während er mit dem Messer zu Boden glitt, das ihm weiter im Rücken steckte, denn Savn hatte es losgelassen. Der Mann fiel auf die linke Seite und begrub sein Schwert unter sich, doch trotzdem griff er durch die Reflexe eines Soldaten noch danach.
    Savn wollte über ihn springen, konnte sich aber doch nicht dazu bringen. Anscheinend konnte der Wachtposten die Beine nicht mehr benutzen, aber er rollte sich auf die Seite und griff abermals nach seinem Schwert. Savn zog sich in die Zelle zurück, so weit von der Wache entfernt, wie es eben ging, und beobachtete mit erschrockener Faszination, wie es dem Krieger gelang, das Schwert zu ziehen und sich mit der freien Hand zu Savn zu schieben. Außer Savn hatte er dabei niemanden im Blick, und sein Gesicht war zu einer Grimasse verzogen, die Haß oder Schmerzen oder beides bedeuten konnte. Savn drückte sich so tief er konnte in die Ecke.
    Fürchterlich langsam verringerte sich die Entfernung zwischen ihnen, und Savn dachte plötzlich, er würde leben und alt werden in diesem kleinen Winkel, während der Wachposten stetig auf ihn zukroch – ein ganzes Leben in Erwartung auf den unvermeidlichen Schwertstoß – und das auf drei Schritte Entfernung, Zentimeter um Zentimeter.
    In Wirklichkeit war der Wachsoldat gute anderthalb Meter entfernt, als der Mann ein Keuchen ausstieß und still lag, zwar atmete er weiter, konnte sich aber nicht mehr weiterziehen, und Savn kam es viel näher vor. Auch er bewegte sich nicht, sondern starrte den Mann an, dem allmählich Blut durch das Hemd sickerte und den Boden um ihn verschmierte, ein faszinierender Tropfen nach dem anderen.
    Nach wahrscheinlich nur ein paar Minuten, die ihm allerdings wesentlich länger vorkamen, setzte sein Atem aus, doch auch da konnte Savn sich noch nicht bewegen, erst als das Gefühl, um einen Patienten herum müsse es immer sauber sein, den Schock überwand und ihn durch die Zelle zum Nachttopf führte, in den er sich übergab.
    Als er nichts mehr im Magen hatte, atmete er eine Weile nur schwer, bis er schließlich zitternd und erschöpft aufhörte. Er spülte sich den Mund mit dem vom Wachposten gebrachten Wasser aus, paßte dabei aber auf, dem Meister genug übrigzulassen, wenn der erwachte. Zwar wußte er nicht, wie der Meister es trinken sollte, aber daran konnte er jetzt auch nichts ändern. Er rutschte zu ihm hinüber und kontrollierte für alle Fälle den Atem und die Temperatur.
    Dann stand er auf und umging bedächtig die Leiche. Seltsam, wie eine menschliche Leiche einem Tierkadaver so ähnlich und doch wieder nicht war. Er hatte schon Schweine geschlachtet und Kethnas, Geflügel und sogar eine Ziege, aber noch nie einen Menschen getötet. Er hatte keine Ahnung, wieviel tote Tiere er schon gesehen hatte, aber dies war erst das zweite Mal, daß er einen toten Menschen aus der Nähe sah.
    Ja, ein totes Tier lag oft genauso, als würde es nur schlafen, kein Bein, das komisch abstand, und auch der Kopf war so, wie er sein sollte. Und so war es auch gut. Aber an einem toten Menschen sollte doch etwas anders sein – etwas müßte doch jedem, der ihn sah, verkünden, daß das Leben, die Seele, aus dieser Hülle entwichen war. So sollte es sein, war es aber nicht.
    Er versuchte, nicht hinzuschauen, doch da fiel ihm Päners bestes Küchenmesser ein – mit dem Savn tausende Male Fisch oder Gemüse geschnitten hatte. Plötzlich stellte er sich Päner vor, der fragte: »Du hast es in einer Menschenleiche stecken lassen, Savn? Weißt du, wieviel Geld so ein Messer kostet? Wie konntest du so achtlos sein?« Da mußte Savn fast kichern, doch er wußte, wenn er einmal damit anfinge, würde er nicht mehr aufhören, also holte er tief Luft und sprang über den Toten, dann sackte er an der anderen Wand zusammen.
    Weil es ihm richtig vorkam, schloß er die Tür hinter
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