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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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gab es auch, aber Käse bekam Tem noch nicht so gut hin, nicht so, wie der alte Schuh es konnte. Für einen Gastwirt war Tem noch jung; noch nicht einmal fünfhundert Jahre alt.
    Polyi fand einen Platz, von dem aus sie den Raum überblicken konnte, und nahm ein Glas verdünnten Wein, Savn bestellte sich ein Bier. Eigentlich durfte Polyi noch keinen Wein trinken, aber Tem hat sie nie verraten und Savn erst recht nicht. Sie schaute sich im Raum um, und Savn erwischte sie dabei, wie ihre Blicke ein paarmal an einem Platz verweilten, deshalb sagte er: »Der ist zu jung für dich, der da.«
    Sie errötete nicht; ein weiteres Anzeichen dafür, daß sie erwachsen wurde. Statt dessen meinte sie bloß: »Wer hat dich denn gefragt?«
    Savn zuckte die Achseln und ging darüber hinweg. Anscheinend fühlte sich fast jedes Mädchen im Dorf von Ori angezogen, was die Annahme, Mädchen mögen Jungs, die stark sind, Lügen strafte. Ori war sehr zart und hübsch wie ein Mädchen, doch was ihn besonders attraktiv machte, war, daß er die Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, nie bemerkte, was Savn an eine Geschichte denken ließ, die Meister Wack über den Norska und den Wolf erzählte.
    Savn schaute sich um, ob Firi auch irgendwo saß, und war sowohl enttäuscht als auch erleichtert, sie nicht zu entdecken; enttäuscht, weil sie mit Sicherheit das schönste Mädchen im ganzen Dorf war, erleichtert, weil er schon beim Gedanken daran, sie anzusprechen, nicht wußte, was er mit seinen Händen anfangen sollte.
    Nur zu Erntezeiten durfte Savn sich ein Mittagessen kaufen, denn dann mußte er vom frühen Morgen an arbeiten, bis es an der Zeit war, daß er zu Meister Wack ging, und seine Eltern hatten entschieden, daß er die Stärkung brauchte und verdiente. Und da es kaum möglich war, Savn eine Mittagspause zu erlauben und sie seiner Schwester vorzuenthalten, ließen sie sie mit zu Tems Haus gehen, unter der Bedingung, daß sie anschließend auf der Stelle zurückkam. Nach dem Essen ging Polyi also wieder heim, während Savn sich zu Meister Wack aufmachte. Als er loslief, warf er noch einen Blick auf das Dach von Tems Haus, aber die Jheregs waren nicht wiedergekommen.
    Der Tag bei Meister Wack verging rasch und geschäftig beim Kräutermischen, Lektionen lernen und Aufräumen. Der Meister, mit gebeugtem Rücken, beginnender Glatze und Raubvogelaugen, erzählte Savn zum viertenmal die Geschichte vom Dachs im Morast und wie er seinen Platz mit dem gerissenen Chreotha tauschte. Savn glaubte, er könne die Geschichte schon mitsprechen, doch das sagte er Meister Wack nicht, denn er konnte sich auch irren, und der Meister hatte so eine Art, Savn für Fehler aus übertriebener Selbstsicherheit zu verspotten, daß dieser noch Stunden später schamrot war.
    Also hörte er bloß zu und nahm auf und wusch die Kleidung des Meisters mit Wasser aus dem Brunnen des Meisters und säuberte die leeren Keramikkrüge und half, sie mit zermahlenen oder ganzen Kräutern zu füllen und sah sich Zeichnungen von den Lungen oder vom Herzen an und stand nicht im Weg, wenn jemand den Meister für eine Behandlung besuchte.
    An schlechten Tagen ertappte Savn sich dabei, wie er sich alle halbe Stunde fragte, wie spät es nun war. An guten war er immer überrascht, wenn der Meister sagte: »Das reicht nun. Geh nach Hause.« Dies war einer von den guten Tagen. Savn verabschiedete sich und ging los. Noch strahlte der Nachmittag hell unter dem orangeroten Himmel.
    Das Nächste, was geschah, und das war, was uns anbetrifft, eigentlich das Erste, passierte, als Savn heimging. Der Meister wohnte im Schatten von Kleineklippe am Oberlauf des Flusses Braunlehm, also ungefähr zweieinhalb Meilen vom Dorf entfernt, und natürlich erteilte er Savn dort Unterricht, schließlich war er der Meister und Savn nur ein Lehrbursche.
    Auf etwa der halben Strecke zwischen Kleineklippe und dem Dorf trafen sich mehrere Pfade vor dem Kurvenstein. Gleich dahinter lag ein eingeebneter Weg, der zu Lord Kleineklippes Herrschaftshaus hinabführte, und genau dort sah Savn den Fremden, der vornübergebeugt mit einer Art Werkzeug in der Erde kratzte.
    Der Fremde blickte schnell auf, vielleicht als er Savns Schritte hörte, und fluchte still vor sich hin, dann sah er ärgerlich in den Himmel, bevor er sich den Knaben genauer anschaute. Erst als der Fremde sich aufrichtete, erkannte Savn, daß es ein Ostländer war. Einige Herzschläge lang starrten sie einander an. Der Ostländer war ein wenig kleiner als
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