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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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Savn, hatte aber diesen festen, gesetzten Blick, der mit dem Alter entstand; es war höchst seltsam. Savn wußte nicht, was er sagen sollte. Er wußte ja nicht einmal, ob sie überhaupt die gleiche Sprache sprachen.
    »Guten Abend«, sagte der Fremde schließlich, und er sprach wie ein Einheimischer, wenn er auch ein gutes Stück weiter südlich von Kleineklippe wohnen mußte.
    Savn erwiderte den Gruß und, weil er nicht wußte, was er als nächstes tun sollte, wartete. Merkwürdig, jemanden anzuschauen, der alt werden und sterben würde, während man selbst noch jung war. Wahrscheinlich ist er sogar jünger als ich jetzt, dachte Savn erstaunt. Der Ostländer war hauptsächlich grün angezogen und hatte Reisekleidung an, dazu einen leichten Regenumhang über den Schultern und einen Rucksack auf dem Weg neben sich. An seiner Hüfte hing ein äußerst zerbrechlich wirkendes Schwert, und in der Hand hielt er den Gegenstand, mit dem er gegraben hatte – einen langen, geraden Dolch. Den starrte Savn an, als ihm auffiel, daß der Ostländer an einer Hand nur vier Finger hatte. Er fragte sich, ob es bei ihnen so üblich war. In dem Augenblick sagte der Fremde: »Ich hatte nicht erwartet, daß jemand diesen Weg entlangkommt.«
    »Das tun auch nur wenige«, erwiderte Savn, als unterhielte er sich mit einem Menschen, das heißt einem Gleichgestellten. »Mein Meister wohnt an diesem Weg, und das Herrschaftshaus von Lord Kleineklippe liegt dort entlang.«
    Der Fremde nickte. Seine Augen und Haare waren dunkelbraun, beinahe schwarz, genau wie das dichte Haar, das ihm über der Lippe wuchs, und wäre er ein Mensch, würde man über ihn sagen, er sei recht stämmig und sehr klein, aber vielleicht war dieses Aussehen ja, dachte Savn, bei Ostländern normal. Er hatte leichte O-Beine und stand mit ein wenig vorgeschobenem Kopf da, als wäre der nicht richtig auf die Schultern gesetzt und könnte durchaus jeden Augenblick herunterfallen. Außerdem lag etwas Merkwürdiges in seiner Stimme, das der junge Mann sich nicht recht erklären konnte.
    Savn räusperte sich und fragte: »Habe ich, ähm, irgendwie gestört?«
    Der andere lächelte, doch es war nicht ganz klar, was für ein Gedanke oder Gefühl dieses Lächeln hervorgerufen hatte. »Kennst du dich mit der Hexenkunst aus?« wollte er wissen.
    »Nicht richtig.«
    »Das macht nichts.«
    »Ich meine, ich weiß, daß man, ähm, daß sie praktiziert wird von – habt Ihr das gemacht?«
    Der Fremde lächelte noch immer. »Mein Name ist Vlad«, sagte er.
    »Ich bin Savn.«
    Er verneigte sich vor Savn wie vor seinesgleichen. Erst später merkte Savn, daß er deswegen hätte beleidigt sein sollen. Dann sagte der, der Vlad hieß: »Du bist der erste, den ich in diesem Ort treffe. Wie heißt er?«
    »Kleineklippe.«
    »Dann liegt in der Nähe eine kleine Klippe?«
    Savn nickte. »Da drüben«, sagte er und deutete in die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Dann ist es doch ein guter Name.«
    »Du stammst aus dem Süden?«
    »Ja. Verrät mich meine Sprache?«
    Savn nickte. »Woher im Süden?«
    »Ach, von hier und da.«
    »Ist es, ähm, höflich, wenn ich frage, was die Beschwörung erzeugen sollte? Ich kenne mich mit der Hexenkunst nicht aus.«
    Vlad bedachte ihn mit einem leichten Lächeln, das nicht unfreundlich war. »Es ist höflich«, erwiderte er, »solange du nicht auf einer Antwort bestehst.«
    »Oh.« Er überlegte, ob er dies als eine Ablehnung betrachten sollte, und beschloß, es wäre wohl sicherer. Schwer zu sagen, was die Gesichter des Ostländers zu bedeuten hatten, und es war das erste Mal, daß Savn klar wurde, wie sehr er auf diese Ausdrücke angewiesen war, um zu verstehen, was die Leute ihm sagten. Er fragte: »Wirst du länger hier bleiben?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht. Je nachdem, wie ich mich fühle. Gewöhnlich bleibe ich nirgends sonderlich lange. Aber da wir dabei sind, kannst du einen gastfreien Ort empfehlen?«
    Savn blinzelte. »Ich verstehe nicht.«
    »Eine Herberge?«
    Savn schüttelte verwirrt den Kopf. »Hier gibt es keine Berge, nur die Klippe –«
    »Einen Ort, an dem ich die Nacht verbringen kann?«
    »Oh. Tem vermietet Zimmer an Reisende.«
    »Gut. Wo?«
    Savn zögerte, dann sagte er: »Ich gehe selbst in diese Richtung, wenn du mich begleiten willst.«
    Nun war es an Vlad zu zögern. »Bist du sicher, es macht keine Schwierigkeiten?«
    »Überhaupt keine. Ich komme eh an Tems Haus vorbei.«
    »Ausgezeichnet. Auf, auf, denn, Bravoura, sonst
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