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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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Savn sagte: »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    »Frage?«
    »Ob du irgendwohin läufst oder vor etwas davon.«
    »Das dauert jetzt schon so lange, daß ich es nicht mehr sagen kann.«
    »Oh. Darf ich noch etwas fragen?«
    »Gewiß. Vielleicht antworte ich aber nicht.«
    »Wenn du keine Geschichten erzählst, was tust du dann?«
    »Du meinst, jeder muß irgendwas tun?«
    »Na ja.«
    »Ich bin kein schlechter Jäger.«
    »Oh.«
    »Und ich habe ein paar Goldstücke, die ich herumzeige, wenn es sein muß.«
    »Du zeigst sie einfach so herum?«
    »Genau.«
    »Was hat das für einen Sinn?«
    »Daß andere Leute sie mir wegnehmen wollen.«
    »Hm, ja, aber –«
    »Und wenn sie das versuchen, gehört mir am Ende alles, was sie bei sich trugen, was meinen bescheidenen Bedürfnissen für gewöhnlich reicht.«
    Savn schaute ihn an und versuchte erneut zu erkennen, ob er Witze machte, doch der Mund des Ostländers war fast völlig von dem schwarzen Haar verdeckt, das ihm über der Oberlippe wuchs.
    Damit er nicht für unhöflich gehalten wurde, wandte Savn sich ab. »Das dort unten ist es, mein Herr«, sagte er und fragte sich, ob er einen Ostländer »Herr« nennen sollte.
    »Du duzt mich, also nenn mich ruhig Vlad.«
    »In Ordnung. Ich hoffe, das Haus gefällt dir.«
    »Bestimmt ist es genau richtig«, antwortete er. »Wenn du mal einige Wochen im Dschungel verbringst, ist es erstaunlich, wie wenig es braucht, dir Luxus zu bieten. Darf ich dir etwas geben?«
    Savn runzelte die Stirn, von plötzlichem Mißtrauen ergriffen, das er sich nicht erklären konnte. »Was meinst du?«
    »In meinem Volk ist es Brauch, der ersten Person, der wir in einem neuen Land begegnen, ein Geschenk zu machen. Es soll Glück bringen. Ich weiß nicht, ob ich dran glaube, aber ich habe mir angewöhnt, alten Bräuchen so oder so zu folgen.«
    »Was –?«
    »Hier.« Er griff in seinen Beutel, fand etwas und streckte die Hand aus.
    »Was ist das?« fragte Savn.
    »Ein polierter Stein, den ich bei meinen Wanderungen aufgelesen habe.«
    Savn starrte ihn an, zwischen Furcht und Aufregung hin- und hergerissen. »Ist es ein Zauberstein?«
    »Es ist bloß ein Stein.«
    »Ach«, machte Savn. »Das Grün sieht sehr schön aus.«
    »Ja. Du kannst ihn behalten.«
    »Ähm, vielen Dank«, sagte Savn und starrte ihn weiter an. Der Stein war poliert worden, bis er so glänzte. Wie konnte man wohl einen Stein polieren, überlegte Savn, und warum machte man sich die Mühe? Er nahm ihn und steckte ihn in die Tasche. »Vielleicht sehe ich dich wieder.«
    »Vielleicht, ja«, erwiderte Vlad und betrat das Haus. Savn wünschte, er könnte ihn begleiten, nur um Tems Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ein Ostländer hereinspazierte, aber es war schon dunkel, und seine Familie erwartete ihn, und Päner wurde immer unwirsch, wenn er nicht pünktlich zum Essen nach Hause kam.
    Auf dem Heimweg, mehr als eine Meile noch, dachte Savn über den Ostländer nach – was er hier machte, woher er kam, wohin er ging und ob er die Wahrheit über seine Lebensweise sagte. Ohne Schwierigkeiten glaubte Savn ihm, daß er jagte – (obwohl, wie konnte er denn Wild aufspüren? Ostländer konnten doch keine Zauberer sein, oder doch?), aber der Rest war seltsam und aufregend zugleich. Savn befand sich im Zweifel, und als er das Licht durch die Ölfenster in seinem Zuhause flackern sah, war er zu der Überzeugung gelangt, der Ostländer habe alles erfunden.
    Beim Abendessen war Savn schweigsam und abgelenkt, doch weder Päner noch Mäner bemerkten es, denn sie waren zu müde, um noch zu plaudern. Seine Schwester plapperte in einem fort, und falls ihr Savns ausbleibende Erwiderungen auffielen, sagte sie nichts dazu. Als man ihn das einzige Mal ansprach, nämlich als Mä ihn fragte, was er an jenem Tag bei Meister Wack gelernt habe, zuckte er bloß die Achseln und murmelte etwas über Knochen richten, woraufhin seine Schwester sich wiederum ausgiebig darüber verbreitete, wie blöd die Mädchen waren, die sie kannte, und wie langweilig es war, sich mit ihnen abgeben zu müssen.
    Nach dem Essen half er bei einigen Verrichtungen – den wenigen Kleinigkeiten, die unter Päners schwächlichem Lichtzauber möglich waren. Holz mußte in Kienspäne aufgespalten werden (Päner und Mäner hackten die großen Klötze – sie fanden, Savn sei dafür noch nicht alt genug), übriggebliebenes Futter mußte aus den Trögen der Kethnas entfernt werden, damit keine Aasfresser angelockt wurden, und die
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