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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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zitterten. Na, besser jetzt als vorhin. Hoffentlich hatte er seine Arbeit ordentlich erledigt. Der Meister machte die Augen auf und sagte: »Sie wollten mit meinen Fingern weitermachen. Das konnte ich nicht zulassen –«
    »Ich verstehe schon, Meister. Ich glaube, ich hätte es ihnen sofort verraten.«
    »Das bezweifle ich stark«, meinte der Meister und schloß die Augen. Savn rutschte an die Wand, um sich auszuruhen, da merkte er, wie ihn etwas in den Rücken stach. Er faßte dorthin und entdeckte ein Bündel, das hinten in seiner Hose steckte. Einen Moment lang dauerte es, dann erkannte er das gute Küchenmesser, fest in das Handtuch eingewickelt.
    Er holte es heraus, nahm es in die Hand und glotzte es an. Nachdem er den Norska für Vlads Eintopf geschnitten hatte, hatte er es sorgfältig saubergewischt, so daß es im fahlen Licht der Zelle glomm. Die Klinge war einen Viertelmeter lang, am Griff breit, zur Spitze hin schmaler, und es war so scharf, daß man den feinsten Blaufisch in Scheiben schneiden konnte, aber nur so spitz, um bei Kethnas das Muskelfleisch von den Knochen zu schaben. Er betrachtete es und überlegte, und die Hände zitterten ihm heftiger als zuvor.
    Er stellte sich vor, wie er das Messer hielt und sich durch alle Wachen Seiner Lordschaft kämpfte und dann Vlad im letzten Augenblick rettete. Das war unmöglich, klar, aber der Gedanke wollte einfach nicht weichen. Wie sollte er sich fühlen, überlegte er, wenn er es zuließe, daß der Ostländer getötet wird, und vielleicht auch Meister Wack, wenn er ein Messer dabeihatte, das er nie zu benutzen versuchte? Was sollte er sich selber sagen, wenn er einmal alt war und sich für einen Medikus hielt, dabei aber zwei Leute in seiner Obhut hatte sterben lassen, ohne etwas dagegen zu unternehmen? Oder wenn er seine Heimat verließe, würde er sein Leben lang denken, er fliehe vor seiner eigenen Feigheit. Es war ungerecht, daß diese Entscheidung, die so wichtig geworden war, ihm von etwas abgenommen wurde, das nicht in seiner Gewalt lag.
    Er drehte das Messer in der Hand hin und her, wohl wissend, wie vergeblich es war, einen Krieger herauszufordern, wenn er nichts als ein Küchenmesser und darüber hinaus noch nie in seinem Leben gekämpft hatte. Er hatte Vlad gegen ein paar der Soldaten Seiner Lordschaft kämpfen sehen und konnte sich nicht vorstellen, jemandem so etwas anzutun, egal, wie sehr er es wollte.
    Kopfschüttelnd starrte er das Messer an, als könnte es ihm antworten.
    Auch eine gute halbe Stunde später saß er noch so da, als es an der Tür rasselte, was, wie er erkannte, das Geräusch des Schlüssels im Schloß und des zur Seite geschobenen Riegels war. Er stand auf und lehnte sich an die Wand, das Messer an der Seite. Eine Wache kam herein und schüttete, ohne Savn oder Meister Wack zu beachten, Wasser in den Krug.
    Er wirkte sehr groß, sehr stark, sehr gewandt und sehr gefährlich.
    Sei kein Idiot, sagte Savn zu sich selbst. Der ist ein Krieger. Sein ganzes Leben dreht sich um Waffen. Mit dem Schwert an seiner Seite könnte er dich in Fetzen säbeln, bevor du zwei Schritte gemacht hast. Das ist Wahnsinn. Reiner Selbstmord. Das gleiche hatte er sich schon öfter vorgebetet, aber als es nun soweit war, die Wache vor ihm stand, wollten die irren Gedanken in seinem Kopf sich weder der Vernunft beugen noch als eindeutige Absicht Gestalt annehmen. Er zögerte, beobachtete die Wache, und dann, als der Mann ihm den Rücken zuwandte, kroch Savn näher zur Tür, das Messer weiterhin an der Seite verborgen.
    Das ist verrückt, sagte er zu sich. Wenn das Messer eine gute Spitze hätte, könntest du es ihm in die Nieren rammen, aber es hat keine. Und um seine Kehle zu erreichen, bist du nicht groß genug.
    Die Wache war fertig und richtete sich auf.
    Das Messer ist schwer, und ein bißchen spitz ist es ja. Und ich bin stark.
    Ohne sich herabzulassen, einen Blick an Savn oder Meister Wack zu verschwenden, ging die Wache zur Tür.
    Wenn ich so zusteche, daß ich meine ganze Kraft nutzen kann und genau die richtige Stelle finde, dann könnte …
    An einen bewußten Entschluß erinnerte Savn sich nicht, aber für einen kurzen Augenblick sah er das Bild Seiner Lordschaft, wie er neben dem Jhereg stand, während sie dem Meister die Knochen brachen. Er atmete tief ein und hielt die Luft an.
    Als der Soldat die Tür erreichte, schlich Savn sich hinterrücks an, wählte ein Ziel und stach der Wache so fest er konnte auf einen Punkt mitten im Rücken
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