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Athyra

Athyra

Titel: Athyra
Autoren: Steven Brust
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sich und überlegte, was Meister Wack wohl dachte, wenn er beim Aufwachen statt seines lebendigen Lehrburschen einen toten Soldaten vorfand. Er schluckte und ging in den Korridor, aber noch ehe er es merkte, fing er schon zu laufen an, bald ganz schnell, eben jenen Flur entlang, durch den man ihn erst wenige Stunden zuvor geschleift hatte. War der Tote unten der gleiche, der ihn hergeschleppt hatte? Er wußte es nicht genau.
    Als er dort ankam, wo die Treppe nach oben und der Gang weiter nach unten ging, blieb er stehen, leckte sich über die Lippen und hielt den Atem an. Überlege, Savn. Was nun? Wohin?
    Nach oben bedeutete Entkommen, aber oben waren auch Seine Lordschaft und dieser Jhereg. Der Gang konnte fast überallhin führen, außer nach draußen. Weitergehen hatte keinen Sinn, und nach oben konnte er nicht. Auch nicht in die Zelle zurück, weil die Leiche dort lag, und er glaubte, er würde durchdrehen, wenn er sie noch einmal sehen müßte.
    Ich versuche, es vernünftig zu lösen, dachte er. Wozu? Es ist keine vernünftige Situation, und ich kann mir ebensogut eingestehen, daß ich nicht den Mut habe, wieder hochzugehen und womöglich auf Seine Lordschaft zu treffen. Und sie werden die Leiche entdecken. Und sie werden mich töten, wahrscheinlich auf eine schreckliche Art. Er dachte daran, sich selbst zu töten, aber das Küchenmesser steckte noch im Körper des Toten.
    Dann erinnerte er sich an die Höhlen.
    Ja. Die Höhlen, von denen Vlad sagte, sie müßten ins Herrschaftshaus führen. Wenn ja, wo kämen sie dann wohl heraus? Unten. Sie konnten nur unten sein.
    Und nach unten ging es nur durch den abfallenden Gang – vielleicht würde er, wenn schon nicht die Höhlen, dann wenigstens ein Versteck finden, zumindest für eine Weile, bis er wieder denken konnte.
     
    Savn wurde klar, daß er minutenlang im Dunkeln gestanden hatte. Er versuchte, sich den Weg hierher vor Augen zu rufen, und erinnerte sich vage an eine lange Treppe abwärts bis zu einer Tür, durch die er gegangen und hinter der kein Licht war.
    Er hatte nie vorher in solch vollkommener Dunkelheit gestanden und fragte sich, warum er nicht in Panik ausbrach. Eher als angsteinflößend war es faszinierend, und, so seltsam es klingt, friedlich. Er wollte sich gleich hier hinsetzen und ausruhen.
    Konnte er aber nicht. Er mußte etwas tun, wenn er auch keine Ahnung hatte, was. Sie waren auf der Suche nach Vlad, und wenn sie ihn fänden, hätte er keine andere Möglichkeit als einen Teleport zu riskieren, und er hatte selbst gesagt, er würde vielleicht nicht – er erinnerte sich an Bruchstücke von Unterhaltungen.
    Unwahrscheinlich, ich habe eine Sperre errichtet.
    Um drei Quadratmeilen Höhlengelände?
    Ja.
    Und –
    Solange sie das gesamte Gebiet nicht mit einer Teleportsperre überziehen …
    Verstehen sickerte in Savns Gehirn. Vlads einzige Fluchtmöglichkeit war ausgeschlossen, und er befand sich nicht in der Verfassung für einen Kampf. Oh, gewiß würden seine Jheregs ihn verteidigen, aber was konnten die schon gegen alle Männer Seiner Lordschaft ausrichten?
    Und wenn Vlad die Wahrheit über den Attentäter erzählt hatte, was nun wahrscheinlich schien, dann hatte der eine Morgantiwaffe bei sich.
    Wenn er Vlad nur erreichen könnte. Aber selbst dann, was könnte er ihm sagen?
    Plötzlich war es genauso wie damals, als er den Ostländer geheilt hatte. Es gab eine Lösung; es mußte einen Weg geben. Wenn doch nur –
    Hexenkunst? Von Geist zu Geist mit Vlad sprechen?
    Aber nein, Vlad hatte ja das Amulett um, das solche Sachen verhinderte.
    Andererseits gab es die Möglichkeit, daß …
    Es war ein sehr übler Gedanke, und Savn wußte nicht, ob Scheitern oder Erfolg ihm mehr angst machte, doch außer dieser hatte Vlad keine Chance.
    Savn setzte sich gleich hin, in der Dunkelheit verloren, und holte tief Luft. Zuerst tat er nichts sonst, nur dasitzen und über das Atmen nachdenken und die Anspannung aus dem Körper entweichen lassen. Seine Gedanken wollten nicht kooperieren – sie zeigten ihm immer wieder, was geschehen würde, wenn er scheiterte oder zu spät käme. Doch er schaute sich jedes Bild von Tod oder Plagen an, sorgfältig und genau, und schob es beiseite, und dabei befahl er sich, ruhig zu werden, so wie Vlad es ihn gelehrt hatte, angefangen am Kopf und dann langsam weiter nach unten.
    Es dauerte länger als nötig, aber er erkannte, als er dort war – losgelöst von der Welt schwebend, nach eigenem Willen beweglich, überall und
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