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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann
Autoren: Michaela Thewes
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genommen sogar zwei. Abgesehen von dem defekten Plastikstäbchen aus der Apotheke hatte ich an diesem Morgen noch einen weiteren Test gemacht, allerdings war ich mir nicht sicher, ob der schulmedizinischen Ansprüchen genügen würde. Ich hatte eine Margerite aus der Deko am Empfang gemopst und ihr die Blütenblätter einzeln ausgerupft: schwanger, nicht schwanger, schwanger …
    Die Sprechstundenhilfe seufzte. »Na schön, dann werde ich versuchen, Sie irgendwo dazwischenzuschieben. Sie müssen sich aber auf eine lange Wartezeit gefasst machen«, unternahm sie noch einen letzten Versuch, mich wieder loszuwerden. »Anderthalb bis zwei Stunden wird es mindestens dauern«, drohte sie.
    Unerschrocken hielt ich ihrem finsteren Blick stand. So leicht ließ ich mich nicht ins Bockshorn jagen. Ich hatte Zeit. Im Hotel war, soweit möglich, alles für die Feier vorbereitet, den Rest würde das Serviceteam aus dem Restaurant erledigen.
    »Ich bleibe.« Und wenn ich mich am Behandlungsstuhl festketten müsste: Ich würde die Praxis nicht eher verlassen, bis ich wusste, was Sache war.
    »Wie Sie meinen.« Nachdem die Sprechstundenhilfe mein Versichertenkärtchen in Empfang genommen hatte, wies sie mit einem leicht schadenfrohen Lächeln in Richtung Wartezimmer. »Dann nehmen Sie bitte Platz.«
    Was ich auch furchtbar gerne getan hätte, wenn nicht alle Stühle bereits besetzt gewesen wären. Bis die nächste Patientin zur Untersuchung ins Sprechzimmer gerufen wurde, musste ich wohl oder übel mit einem Stehplatz vorliebnehmen. Klaglos stellte ich mich in eine Ecke, schließlich war selbst mir schon zu Ohren gekommen, dass in unserem Gesundheitssystem eine Zweiklassengesellschaft herrschte. Als Kassenpatient musste man sich sein Höckerchen und seine Zeitschriften demnächst sicher selbst mitbringen.
    So unauffällig wie möglich musterte ich die anderen Frauen im Wartezimmer. Damit die Zeit ein bisschen schneller verging, spielte ich Heiteres Beschwerderaten . Ich begann mit den vermeintlich leichten Fällen. Eine junge Frau, schätzungsweise Mitte bis Ende zwanzig, bekleidet mit einem geblümten Wickelrock und Birkenstocksandalen, rutschte so unruhig auf ihrem Stuhl herum, dass ich auf Hämorrhoiden oder eine juckende Pilzinfektion tippte. Die Dame rechts von mir war innerhalb der letzten fünf Minuten schon das zweite Mal zur Toilette gerannt. Eine Blasenentzündung, möglicherweise auch beginnende Inkontinenz, lautete meine Ferndiagnose. Bei drei Patientinnen beantwortete sich die Frage, was sie zum Gynäkologen getrieben hatte, ganz von allein: Sex! Ihre dicken Bäuche sprachen für sich. Bald würde ich wohl auch so ein Kügelchen vor mir herschieben. Probehalber streichelte ich mit der Hand über meinen Bauch, so wie ich es schon bei unzähligen schwangeren Frauen beobachtet hatte. Machte man das eigentlich absichtlich, oder handelte es sich dabei um so eine Art Reflex? Vielleicht, dachte ich, finde ich die Antwort schneller heraus, als mir lieb ist.
    Um auf andere Gedanken zu kommen, schlug ich aufs Geratewohl die erstbeste Illustrierte auf, die ich finden konnte. Mutterglück im Doppelpack sprang mir eine fette Headline entgegen. Gräfin von-zu-und-haste-nicht-gesehen hatte per Kaiserschnitt Zwillinge zur Welt gebracht: Ferdinand und Leopold.
    Schnell griff ich nach einer anderen Zeitschrift, doch auch hier wurde ich erneut mit dem Thema Schwangerschaft konfrontiert. »Noch nie sahen schwangere Frauen so sexy aus«, jubelte das Magazin. Offenbar waren Babybäuche das »Must have« der Saison. Angesagter als Schuhe von Gucci oder T-Shirts von Ed Hardy. Die Fotos auf dieser Doppelseite zeigten einige prominente Frauen, die perfekt gestylt ihr Schwangerschaftsbäuchlein in die Kamera hielten. Bilder, die keinen Zweifel daran ließen, dass diese Frauen auch noch im Kreißsaal in den Wehen strahlend schön aussehen würden.
    Oh Gott, wie ging man als Otto Normalgebärende bloß mit diesen hochgesteckten Erwartungen um? Ich bekam einen kleinen Vorgeschmack von dem Druck, dem schwangere Frauen heutzutage ausgesetzt waren. Es reichte nicht, wenn sie die morgendliche Übelkeit, das Auf und Ab der Hormone, das Sodbrennen und die anderen fiesen Begleiterscheinungen der Schwangerschaft ohne zu klagen ertrugen; nein, sie mussten dabei auch noch aussehen wie das blühende Leben. So als wäre das alles ein Heidenspaß und im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel.
    »Frau Müller, bitte.«
    Müllers gab es bekanntlich wie Sand am
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