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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann
Autoren: Michaela Thewes
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zubereiten wie er, doch auf der Tonleiter verunglückte der Arme jedes Mal kläglich.
    Während Werner bereits beim Refrain seines Liedes angelangt war, legte Ilka laut raschelnd ihre Unterlagen beiseite und ließ ihren Blick über die anwesenden Mitarbeiter gleiten. »Wie ich sehe, sind wir fast vollzählig. Respekt. Ich bin schwer beeindruckt.« Die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören. »Es ist Montag, wir haben schönes Wetter – und trotzdem hat sich niemand krankgemeldet. Vielleicht geht es mit der Arbeitsmoral in diesem Haus ja bergauf. Zu wünschen wäre es. Na, wie dem auch sei: Wir warten noch fünf Minuten, dann fangen wir an.«
    Der Einzige, der jetzt noch fehlte, war Ilkas Vater. Der Häuptling. Doch der ließ seine Untertanen noch ein wenig zappeln.
    Isabell, unsere Hausdame, vertrieb sich die Wartezeit damit, das Milchkännchen und den Zuckerstreuer in der Mitte des Konferenztisches zu arrangieren. Da diese Aufgabe für einen Profi wie sie schnell erledigt war, machte sie sich anschließend daran, die Stifte ihres Nebenmanns zu sortieren. Der schien davon allerdings überhaupt nichts mitzubekommen. Claus-Dieter pflegte seine Montagmorgen-Depression. Mit sehnsuchtsvollem Blick starrte er aus dem Fenster. Was immer es auch dort zu sehen gab – es war offenbar nicht dazu angetan, seine traurige Buchhalterseele aufzumuntern.
    Ich nahm an dieser Elefantenrunde nur vertretungsweise teil. Norbert, der Boss der Marketingabteilung, war ein paar Wochen zuvor auf dem Tennisplatz zusammengebrochen. Bedauerlicherweise hatten ihn nicht die Vorhandgranaten seines Gegners, sondern ein Herzinfarkt zu Boden gestreckt. Nun befand er sich in der Rehaklinik.
    »Hast du eigentlich noch mal was von Norbert gehört?«
    Als Verena gerade zu einer Antwort ansetzte, schwang die Tür auf und Conrad Wallemrath betrat mit federnden Schritten den Raum. Die Gespräche am Tisch verstummten, und sogar Werner vergaß für einen Moment, vor sich hin zu trällern. Es war wirklich beeindruckend, über was für eine Ausstrahlung unser Boss verfügte. Mit seinem Erscheinen war der Konferenzraum schlagartig auf die Größe einer Besenkammer geschrumpft. Obwohl er weder besonders groß noch besonders stämmig war, schien Conrad jeden Winkel des Zimmers auszufüllen. Wahnsinn, dachte ich wie schon so oft, der Mann hat Energie für zehn! Selbst wenn er nur über das Wetter redete, sprühten seine graublauen Augen Funken. Ich hätte stundenlang einfach nur dasitzen und ihn anschauen können. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zwinkerte Conrad mir in diesem Moment verschmitzt zu. Unversehens begannen meine Wangen zu glühen.
    Wer nicht wusste, dass Conrad Wallemrath bereits Ende vierzig war, schätzte ihn locker zehn Jahre jünger. Seine leicht ergrauten Schläfen ließen ihn weder besonders seriös noch lebenserfahren, dafür aber wahnsinnig interessant und sexy aussehen. George Clooney hätte ohne Weiteres sein Bruder sein können. Auch die kleinen Lachfältchen rings um seine Augen brachten Conrad jede Menge Sympathiepunkte ein.
    Zusätzlich zu seiner attraktiven Verpackung verfügte unser Boss über eine ganz spezielle Gabe: Wie kaum ein anderer verstand er es, seine Mitmenschen in seinen Bann zu ziehen und für seine Sache zu begeistern. Er war das geborene Alpha-Tier! Wir, sein Rudel, vertrauten ihm blind. Sollte Conrad sich vornehmen, den Mount Everest zu besteigen, würden alle seine Angestellten wie die Lemminge ohne zu zögern hinterhertrippeln – mit Ausnahme seiner Tochter Ilka vielleicht …
    Nachdem Conrad gut gelaunt in die Runde gegrüßt hatte, drückte er seiner Tochter einen Kuss auf die Wange. »Morgen, Schätzchen.«
    Ilka war diese vertrauliche Geste sichtlich unangenehm. »Du bist unpünktlich«, wies sie ihren Vater schnippisch zurecht.
    »Das tut mir leid.« Conrad spielte den Zerknirschten. »Die S-Bahn hatte Verspätung.«
    Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen. Jeder im Raum wusste, dass Conrad noch nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gekommen war. Wahrscheinlich benutzte er eine Ausrede, mit der Ilka sich in ihrer Sturm- und Drang-Zeit des Öfteren aus der Affäre gezogen hatte.
    Leider war es uns nicht vergönnt, das Vater-Tochter-Geplänkel noch ein wenig auszukosten, denn Ilka kam sofort zur Sache: »Da wir ja nun vollzählig sind, können wir jetzt endlich beginnen. Das Wichtigste gleich vorweg. Norbert Rische wird nächste Woche aus der Rehaklinik entlassen. Zum Glück
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