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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann
Autoren: Michaela Thewes
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hätte von allein drauf kommen müssen, dass du an einem Pummelchen wie mir nicht ernsthaft interessiert sein konntest. Schlimm genug, dass du mich eiskalt ausgenutzt hast, aber dass du das Gedicht Carola gegeben hast, war wirklich an Gemeinheit kaum zu überbieten.«
    »Welches Gedicht?« Plötzlich erschien wieder die steile Falte auf Kais Stirn.
    »Jetzt tu doch nicht so scheinheilig. Das Gedicht. Das Liebesgedicht von Rilke, das ich dir in dein Mathebuch gesteckt habe.«
    Kai kratzte sich am Kopf, was wohl auf Ratlosigkeit und nicht auf mangelnde Hygiene zurückzuführen war. Er sah wieder zum Anbeißen aus, wie ich ganz nebenbei feststellte. »Auch wenn ich sonst manchmal etwas vergesslich bin – daran könnte ich mich garantiert erinnern«, behauptete Kai mit fester Stimme. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein Gedicht bekommen! Weder von dir noch von sonst jemandem. Mir fällt nur eine plausible Erklärung ein: Wahrscheinlich hast du das Gedicht gar nicht in mein, sondern in Carolas Mathebuch gelegt, das ich mir geliehen hatte, weil ich meins mal wieder zu Hause vergessen hatte.«
    »Hm, ich weiß nicht …« Die Möglichkeit, dass ein fremdes Mathebuch in seiner Tasche gesteckt haben könnte, hatte ich damals tatsächlich nicht in Betracht gezogen.
    »Wohl noch nie was von ›Im Zweifel für den Angeklagten‹ gehört, oder?«
    »Das war aber kein Zweifelsfall«, erwiderte ich bockig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wenn wir schon mal dabei sind: Wo warst du an dem Nachmittag, an dem ich für dich das Referat über Goethes Iphigenie auf Tauris geschrieben habe?«
    » Iphigenie auf Tauris? « Kai grinste dreckig. »Klingt ziemlich unanständig.«
    »Lenk jetzt bloß nicht vom Thema ab. Also: Warst du mit Carola schwimmen, als ich an deinem blöden Referat gesessen habe?«
    »Was weiß denn ich!? Vielleicht war ich schwimmen, vielleicht auch nicht. Mensch, Melina, das ist dreizehn Jahre her. Glaubst du tatsächlich, ich kann mich jetzt noch an jeden einzelnen Nachmittag erinnern?! Ich bin froh, wenn ich heute noch weiß, was ich vor drei Tagen gegessen habe.« Kai stand auf und kam langsam auf mich zu. »Eins kann ich dir jedoch schwören: Ich habe Carola nie im Leben ein Liebesgedicht von dir gegeben. Außerdem …«
    Was Kai mir außerdem hatte sagen wollen, blieb sein Geheimnis, denn in diesem Augenblick klopfte es draußen. Ein junger Mann mit einem feuerroten Haarschopf steckte den Kopf zur Tür herein. »Ich habe hier eine Lieferung für Conrad Wallemrath.«
    »Den Gang runter und die dritte Tür links«, erklärte Kai, während ich versuchte, das soeben Gehörte zu verarbeiten.
    Aber so leicht ließ sich der Kobold nicht abwimmeln. »Ich weiß, von da komme ich gerade. Aber Herr Wallemrath ist nicht in seinem Büro, und sein Vorzimmer ist auch nicht besetzt.« Stimmt. Conrad war bei einem auswärtigen Termin, und Marianne hatte ich auf dem Weg zur Toilette getroffen. Falls Yvonne ebenfalls dorthin geflüchtet war, um ihre Wunden zu lecken, konnte es noch ein Weilchen dauern, bis Marianne wieder zurückkam.
    »Und was mache ich jetzt hiermit?« Unschlüssig hielt der Rotschopf einen gepolsterten Umschlag in die Höhe.
    »Na, geben Sie schon her«, erbarmte sich Kai. »Auch wenn man es vielleicht nicht immer sofort merkt, wir sind hier alle eine große glückliche Familie.«
    »Ja, wenn Sie zur Familie gehören …« Froh, seine Ware an den Mann gebracht zu haben, drückte er Kai das Päckchen in die Hand. »Würden Sie mir bitte hier den Erhalt quittieren.« Nachdem Kai unterschrieben hatte, bedankte der junge Mann sich höflich und verabschiedete sich. In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ach, fast hätte ich’s vergessen. Mein Chef lässt Herrn Wallemrath ausrichten, dass es überhaupt kein Problem ist, den Ring größer oder kleiner zu machen, falls er der Dame nicht passt. Ist selbstverständlich alles im Preis inbegriffen.«
    »Selbstverständlich«, echote Kai und starrte auf das Päckchen, als hielte er eine Ladung Sprengstoff oder Plutonium in den Händen. Als wir wieder allein waren, herrschte angespannte Stille. Kai brach als Erster das Schweigen: »Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr wieder zusammen seid.« Prima, da waren wir schon zu zweit. Mir hatte es wortwörtlich die Sprache verschlagen. »Da kann man ja wohl nur gratulieren.« Kais Stimme klang gepresst. »Sicher werden bald die Hochzeitsglocken läuten. Und wenn dann auch noch Nachwuchs unterwegs ist
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