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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
Autoren: Michael Wunder
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Geschichte und Personen des Ordens, dass Ari beinahe wieder schwindelig wurde. Jahreszahlen, Schlachten, berühmte Ordensmeister, all das in chronologischer Reihenfolge. Manchmal wäre sie fast eingenickt. Als der Baron dies bemerkte, sprach er sie direkt an und ließ die Höflichkeiten beiseite: »Ari, gib mir bitte das Kleinod, das du von Arobar erhalten hast. Ja, den kleinen Armreif.« Die Dunkle tat, wie ihr geheißen, Rugor drehte ihn in der Hand und betrachtete ihn eingehend. Nachdenklich brummte er, bevor er weitersprach: »Ein schönes Stück. Komm mit, es ist an der Zeit, dir den praktischen Teil vorzuführen.«
    Beide verließen den Raum und Rugor führte sie über verwinkelte Wege, treppauf, treppab und durch immer neue Höfe auf den höchsten Turm. Dort angekommen sah er zu den Sternen hinauf und befand den Augenblick als günstig. Die Nachtluft war angenehm kühl, der Geruch des Herbstes lag in der Luft. Ungewöhnlich für die Jahreszeit war jedoch die Windstille, die so hoch oben herrschte. »Ari, nimm deinen Armreif, schleudere ihn in die Nacht hinaus und rufe laut ›Mirx‹. Wir wollen sehen, was geschieht.«
    »Ich soll den Reif wegwerfen?« Ari konnte es nicht fassen.
    »Wenn du würdig bist, wird er zu dir zurückkehren, wenn nicht, ist er verloren. Aber das macht nichts, denn nur du könntest etwas damit anfangen. Sollte er bei dir nicht funktionieren, dann ist er sowieso nutzlos.« Der Baron lächelte. »Nur Mut, Ari!«
    Die Dunkle drehte das Schmuckstück in ihren Händen hin und her. Es war ein schöner Reif und gleichzeitig das letzte Andenken an ihr Volk. Schade, wenn er verloren ginge. Trotzdem holte sie weit aus, warf ihn kraftvoll in die endlose Nacht hinaus und brüllte: »Mirx!«
    Lange geschah nichts; aber komischerweise hörte sie den Reif auch nicht unten aufschlagen. Sie wollte sich schon an den Baron wenden, der mit einem wissenden Lächeln gebannt in die Dunkelheit starrte, als ein Vogelschrei die Stille der Nacht zerriss. Ari nahm aus Reflex eine Abwehrhaltung ein und zog ihre Dolche. Rugor aber legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und sie entspannte sich sofort. Wind kam auf und sie vernahmen das Geräusch von Flügelschlägen. Es mussten gewaltige Schwingen sein! Wieder ein Schrei, und aus der Schwärze schälte sich der Umriss eines riesigen Vogels – ein mehr als mannshoher Falke! Majestätisch landete er ohne das geringste Geräusch auf der Turmplattform. Er legte seinen Kopf schief und betrachtete die zierliche Frau, die ihn gerufen hatte. Sein Gefieder war von strahlender Pracht. Die Federn schienen die Farben Silber und Blau perfekt zu vereinigen. Die Klauen des Falken schimmerten golden. Aber das mit Abstand Herausstechendste waren seine Augen. Sie funkelten in einem reinen, warmen Rubinrot. So viel Erhabenheit, Weisheit und Güte lagen in diesen Augen, die wachsam die Umgebung betrachteten.
    Langsam schritt Mirx nun auf Ari zu. Er blieb vor ihr stehen, senkte den Kopf und stieß sie sanft mit seinem silberglänzenden Schnabel an. Sie berührte das Gefieder des Tieres, es war weich und anschmiegsam und besaß doch eine unverkennbare Robustheit. Sie kraulte ihn mit beiden Händen unter dem Schnabelansatz. Nach einer Weile umrundete sie den edlen Vogel und ließ den engen Kontakt dabei nicht abreißen. Ari bildete sich ein, eine Art leises Gurren oder Schnurren zu vernehmen.
    »Versuch aufzusteigen – mal sehen, ob er dich lässt«, flüsterte der Baron bedächtig in Aris Richtung. Die Enrai stellte sich an Mirx’ Seite und flüsterte ihm beruhigende Worte zu, dann schwang sie sich auf seinen Rücken. Der Falke spreizte seine Flügel, stieß einen Schrei aus und drückte sich vom Boden ab. Ari musste sich anstrengen, nicht abgeworfen zu werden, und schon verließen beide den Turm in Richtung Marktplatz. Das Fliegen war eine neue Erfahrung für Ari, sie genoss es. Grenzenlose Freiheit pulsierte durch ihre Adern, gepaart mit dem Gefühl, alles erreichen zu können. Die kühle Nachtluft umfloss sie. Die Gerüche der unter ihr vorbeieilenden Stadt stiegen ihr in die Nase und sie verzog ein wenig das Gesicht wegen des Gestanks, den so viele Menschen erzeugten. Mirx spürte ihr Unbehagen und änderte den Kurs. Er trug sie über die Stadtmauern hinaus und zu Wäldern, Berggipfeln und Seen.
    Sie wusste nicht, wie lange dieser Flug dauerte, aber im Morgengrauen tauchte wieder Kupferburg vor ihnen auf und wenig später landeten sie auf der Plattform des Turmes. Lächelnd nahm
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