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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
Autoren: Michael Wunder
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Ein ungleicher Kampf
    ri sah hinaus über die weite Hochebene. Der Anblick war atemberaubend. An ihren Rändern wurde sie von majestätischen Bergen mit weißen Gipfeln begrenzt und ein schmaler Fluss wand sich wie eine träge Riesenschlange durch die saftigen Wiesen. Einige Drachenbäume, riesige Gewächse mit stahlharten Schuppen als Rinde, standen wie schlafende, graue Wächter inmitten der Landschaft. Ihre verdrehten, knorrigen Körper und die zerbrechlich aussehenden Äste, die am Ende drei klauenartige Auswüchse besaßen, gaben ihnen ein bedrohliches Aussehen. Die Luft war kühl, aber keineswegs unangenehm. Ein leichter Wind strich über das Gras und bewegte es sanft. Die Sonne zeigte sich in voller Pracht und ihre Strahlen verursachten ein wohliges Kribbeln auf der alabasterfarbenen Haut der Assassine. An so einem Tag bekam das sonst so kriegerische Land Tiro eine friedliche Note. Nur eine Sache trübte das Panorama der Hochebene von Hardak: das hunderttausend Mann starke Heer ihrer Artgenossen, das sich hier zu seinem letzten, verzweifelten Kampf versammelte. Auch der Ort selbst besaß eine gewisse Bedeutung; auf diesem Feld waren viele Schlachten der Enrai, wie sich die Dunklen selbst nannten, zu ihren Gunsten entschieden worden. Aris Volk war bereits durch die Drachenkriege ausgedünnt, die vor ungefähr achthundert Wintern ihr Ende gefunden hatten, Geburtenrückgang und andauernde Zwistigkeiten mit den Menschenkönigen brachten jedoch ihresgleichen an den Rand des Aussterbens.
    Arobar, der Hochfürst der dunklen Rasse, hatte hier das letzte Aufgebot versammelt, um den Menschen ein letztes Mal die Stirn zu bieten. Noch war das Menschenheer nicht auf der gegenüberliegenden Anhöhe erschienen. Die Enrai hingegen bezogen bereits ihre endgültigen Gefechtspositionen. Ein großer Infantrieblock in der Mitte wurde von schwerer Kavallerie auf den Flanken unterstützt. Im Rücken der Infanterie hatten die tödlichen Bogenschützen Aufstellung genommen. Der Hochfürst und sein Stab aus Elitekriegern, Erzmagiern und Beratern bildeten ein kompaktes Quadrat an der Stirn des Heeres. Die Enrai waren bereit. Der Gegner konnte kommen.
    Ari stand in der ersten Reihe der Fußsoldaten. Ihr fiel es zu, die Kommandanten der Gegner zu suchen und zu eliminieren. Vor fast vierhundert Wintern hatte sie ihre Ausbildung zur Assassine abgeschlossen und war von jener Zeit an als erfolgreiche Attentäterin bei ihrem Volk geachtet und bei den Gegnern gefürchtet. Die Standarte ihrer Einheit von schwer gepanzerten Kriegern, die viele Schlachten geschlagen hatten und viele Narben ihr Eigen nennen konnten, knatterte im Wind. Sie zeigte eine große silberne Spinne in einem Netz. Der AnPahr des Regiments hatte Ari mit stolzgeschwellter Brust die Regimentsgeschichte erzählt. Es war das Einzige, in dem die Position des AnPahr geteilt wurde. Der Vater der Assassine hatte die Einheit ins Leben gerufen und lange Zeit mit ihrer Mutter geführt. Bei der letzten Schlacht gegen das Drachenvolk, auf den Pechfeldern, errang dieses Regiment den entscheidenden Sieg gegen den uralten »Rotschuppe«, laut Legende einer der ersten Drachen, die jemals auf Erden wandelten. Diese wurden auch die Altehrwürdigen genannt. Nur wurde dieser Sieg leider mit dem Leben ihrer Mutter und ihres Vaters teuer erkauft. Doch nach dem Fall eines der ältesten Geschöpfe Tiros konnten sich die Drachen nicht länger halten und wurden in das große Gebirge zurückgedrängt. Man munkelte, sie sammelten dort ihre Kräfte, um eines Tages wiederzukehren, um einzufordern, was ihnen gehörte.
    Ari wurde aus ihren Gedanken gerissen, als die Hörner der Späher das Eintreffen der gegnerischen Streitmacht ankündigten. Die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten. Die Dunkle blickte in den Himmel und schätzte die Zeit bis zur Abenddämmerung. »In nicht ganz sechs Zyklen wird die Sonne untergehen. Wenn wir es schaffen, bis dorthin unsere Linien zu halten, liegt der Vorteil bei uns, denn in der Nacht sehen wir besser als Menschen.« Dieser Gedanke brannte sich in ihr Hirn, während sie ihre Ausrüstung überprüfte. Der eng anliegende schwarze Kampfanzug war aus den Flügelmembranen eines Drachen gefertigt. Er besaß die Zähigkeit und Robustheit für einen Kampf, aber nicht das Gewicht einer Rüstung mit gleichwertigem Schutz. Die Assassine zurrte nochmals alle Riemen fest und zog ihre beiden Dolche aus den Scheiden, die am Rücken befestigt waren, um sie zu inspizieren.
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