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Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle

Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle

Titel: Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle
Autoren: Jens Schumacher
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größeren Buchhandlung. Mr Carlsen hatte es geschafft, noch den letzten Winkel seines winzigen Geschäfts bis zum Anschlag mit Geschirr zu füllen. Gläserne Borde mit Tellern, Tassen, Untersetzern, Karaffen, Suppenterrinen, Biertulpen, Blumenvasen und Kelchen bedeckten die Wände vom Boden bis zur Decke. Darüber hinaus hatte Mr Carlsen überall runde Tische platziert, auf denen weitere Kostbarkeiten gestapelt standen – Champagnergläser, kunstvoll geschliffene Weinbecher und ganze Landschaften aus scheußlichen, bunt glitzernden Kristallfigürchen. Wenn man etwas üppiger gebaut war (so wie ich), musste man all seine Geschicklichkeit aufbieten, um zwischen all diesen Hindernissen hindurchzukommen, ohne etwas umzustoßen. Aus genau diesem Grund schätzte es Mr Carlsen nicht besonders, wenn Kinder oder Jugendliche sein Geschäft betraten. Mich kannte er glücklicherweise schon länger, und da ich noch nie etwas kaputt gemacht hatte, machte er bei mir eine Ausnahme.
    »Ah, Robert«, begrüßte er mich und kam hinter seinem Kassentresen hervor. Mr Carlsen war klein und birnenförmig, hatte eine Halbglatze und trug ein Jackett mit Ellenbogenflicken, das sich bedenklich über seinem vorstehenden Bauch spannte. Wenn man ihn sah, konnte man sich kaum vorstellen, dass er sich tagein, tagaus durch die engen Korridore aus Zerbrechlichem bewegte, ohne Schaden anzurichten.
    »Du kommst, um die neue Tasse für deine Großmutter abzuholen, richtig?«
    Als ich nickte, wieselte er beflissen nach hinten ins Lager, um Oma Bessies Tasse zu holen.
    Ich war der einzige Kunde im Laden, wie immer. Ich fragte mich, wie Mr Carlsen wohl so ganz ohne Kundschaft überleben konnte. Aber vielleicht hatte er ja noch ein paar Tausend weitere Sammeltassen-Abonnentinnen.
    Gelangweilt ließ ich meinen Blick durch den vollgestopften Verkaufsraum schweifen. Während ich gerade über Sinn und Unsinn von Whiskykaraffen mit eingravierten Vogelmotiven nachdachte, hörte ich hinter mir ein leises Kichern.
    Ich wandte den Kopf. Der Laden war noch immer völlig leer.
    Jetzt vernahm ich ein leises
Plink
, irgendwo rechts von mir. Ich brauchte einen Moment, um seinen Ursprung zu orten. Ein Likörgläschen auf einem Wandbord neben der Eingangstür war umgekippt und gegen ein anderes gestoßen. Zum Glück war es nicht zu Boden gefallen. Das andere Glas schwankte noch leicht hin und her.
    Ich stutzte – war ich beim Hereinkommen mit dem Rucksack gegen das Regal gestoßen? Oder hatte jemand durch die Tür hereingelangt und das Glas umgeschubst? Aber wieso hatte dann das Glöckchen über dem Eingang nicht gebimmelt?
    Plötzlich beobachtete ich etwas, das mir die Nackenhaare zu Berge stehen ließ: Anstatt sich zu beruhigen, begann das zweite Likörglas immer heftiger zu schwanken. Es neigte sich gefährlich zur Seite, bevor es sich schließlich der Schwerkraft ergab und kippte.
    Es touchierte den ersten von mehreren Sektkelchen, stürzte über die Kante und zerbarst mit einem hässlichen Klirren am Boden. Aus dem Durchgang hinter dem Tresen ertönte ein fragendes Keuchen.
    Doch bevor Mr Carlsen nach vorne eilen konnte, nahm das Schicksal seinen Lauf.
    Der Sektkelch fiel gegen einen zweiten. Auch der stürzte, riss einen dritten und einen vierten mit, bevor er gegen einen senkrecht stehenden Motivteller stieß. Der Teller kippte gegen eine Reihe von Untertassen, die wiederum eine Kollektion dünnwandiger, mit bunten Ornamenten verzierter Tassen umwarf.
    Ungläubig beobachtete ich, wie die katastrophale Lawine sich immer weiter fortsetzte. Es war wie bei einer Fernsehübertragung des
Domino Day
, wo kilometerlange Reihen penibel aufgestellter Dominosteine in einer endlosen Kettenreaktion umkippten.
    Leider war dies keine Fernsehübertragung.
    Das schrille Dauerfeuer aus Klirr- und Scheppergeräuschen übertönte beinahe Mr Carlsens kieksenden Schrei, als er aus dem Lager nach vorn gestürzt kam, die Pappbox mit Oma Bessies Sammeltasse in der Hand. Der unheilvolle Sturzbach hatte mittlerweile das Ende des Wandbords erreicht. Meine Hoffnung, damit möge die Katastrophe ein Ende nehmen, erfüllte sich jedoch nicht.
    Durch einen unerhörten Zufall schienen einzelne Geschirrbruchstücke eine Regalreihe tiefer eingeschlagen zu sein und hatten dort eine zweite Welle der Zerstörung in Gang gesetzt. Und nicht nur das – auch ein Regal
höher
stürzten jetzt Kelche, Vasen und Teller gegeneinander und brachten sich gegenseitig zum Absturz!
    Der Lärm nahm ohrenbetäubende
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