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Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle

Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle

Titel: Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle
Autoren: Jens Schumacher
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Dimensionen an. Die unerklärliche Kettenreaktion hatte nun auch die frei im Raum stehenden Verkaufstische erfasst, obwohl diese gar keine direkte Verbindung zu den Wandborden hatten. Kristallglas, Porzellan und Steingut hagelten auf den Boden, die Luft war erfüllt von fliegenden Splittern und Staub.
    Mr Carlsen, bleich wie eine Kalkwand, stand stocksteif hinter dem Tresen. Er schien zu überlegen, ob er vorwärtshechten sollte, um die Katastrophe irgendwie aufzuhalten. Dazu hätte er sich allerdings mindestens versechsfachen müssen, denn mittlerweile rollten ein halbes Dutzend Wogen der Zerstörung über die entlegensten Regale und Tische hinweg.
    Schließlich senkte sich Stille über
Carlsens Glas- und Porzellanparadies
. Kurz fürchtete ich, der anhaltende Lärm könnte mich taub gemacht haben. Aber das vereinzelte Klimpern verspätet zu Boden gehender Scherben bewies, dass mein Gehör noch funktionierte.
    Ich sah mich um. Keine einzige Vase, keine Untertasse, nicht einmal das winzigste hässliche Kristallfigürchen war noch an seinem Platz. Dafür war der Boden des gesamten Ladens mit einer knöchelhohen Scherbenschicht bedeckt.
    Neben mir ertönte ein schluchzendes Geräusch. Ich drehte mich um.
    Mr Carlsen wirkte mindestens fünfzig Jahre älter als zuvor. Sein Gesichtsausdruck war … nun, wie soll ich es beschreiben? Ein bisschen wie der eines Astronauten, der gerade vom All aus mit angesehen hat, wie sein Heimatplanet Erde in einer gewaltigen Atomexplosion in Flammen aufgeht.
    »Was … hast du getan?«, brachte er krächzend hervor.
    Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht! Da ich der einzige Kunde im Laden war, musste Mr Carlsen natürlich annehmen, dass
ich
für all das verantwortlich war.
    »Ich bin unschuldig«, erklärte ich. »Da war dieses Kichern. Dann fiel ein Likörglas um. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie …«
    »Du hast mein Leben ruiniert«, hauchte Mr Carlsen. »Meine Waren … einige dieser Stücke standen hier schon seit über zwanzig Jahren.«
    Ich fand, dass ein zerschmetterter Teller, der zwanzig Jahre keinen Käufer gefunden hatte, keinen großen Verlust darstellen konnte, hielt aber klugerweise den Mund. Mr Carlsens Stimme hörte sich auffallend leise an. Ich hatte genügend Katastrophenfilme gesehen, um zu wissen, dass sich daran mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Phase anschließen würde, in der wahnsinnig laut gebrüllt wurde – und möglicherweise Schlimmeres geschah.
    »Ich habe nichts angerührt«, versuchte ich es erneut. »Das Likörglas …«
    »Zerstört! Alles zerstört!« Mr Carlsen schien nur Millimeter von einem Nervenzusammenbruch entfernt zu sein. Ich hoffte, dass er in diesem Zustand nicht in der Verfassung wäre, mich zu erwürgen, falls ihm das in den Sinn käme.
    »Nur Mut, Mr Carlsen.« Ich setzte etwas auf, wovon ich hoffte, dass es wie ein aufmunterndes Lächeln aussah. »Sie sind doch versichert, oder? Die Versicherung wird Ihnen den Schaden ohne Zweifel …«
    »Falsch!« Zum ersten Mal richtete Mr Carlsen seinen Blick direkt auf mich. Seine Augen waren leer und blicklos wie die eines Zombies. »Meine Versicherung wird gar nichts ersetzen, da der Schaden fremdverschuldet wurde. Von dir! Diese Sache ist ein Fall für
deine
Versicherung, Robert Zarkoff.«
    Ich schluckte. Seit der Trennung von Dad musste Mom jeden Cent dreimal umdrehen. Ich bezweifelte, dass sie eine Versicherung besaß, die Fälle wie diesen (»übergewichtiger Dreizehnjähriger läuft Amok in Porzellanladen«) abdeckte. Wenn sie Mr Carlsen entschädigen müsste, wären wir bis ans Ende ihres Lebens verschuldet. Und bis ans Ende
meines
Lebens.
    »Ich, äh … ich muss mal telefonieren.« Ich zog mein Handy aus der Tasche und entfernte mich ein paar Schritte. Scherben knirschten unter meinen Schuhsohlen.
    Während ich wählte, kam ich mir vor wie ein Schwerverbrecher, dem ein letzter Anruf gewährt wird. Zwar kannte ich keinen Anwalt, aber glücklicherweise jemand anderen, der mir helfen konnte … hoffentlich.
    Keine fünfzehn Minuten später war Zara da. Wie stets war sie perfekt frisiert und angezogen wie ein Model aus einer Klamottenwerbung. Ihre Begrüßung bestand aus nicht viel mehr als dem üblichen knappen Kopfnicken. Zara war längst daran gewöhnt, mir in brenzligen Situationen zu Hilfe zu kommen. Sei es, weil ich in der Informatik- AG beim Versuch, eine neue Software auf die Schul- PC s aufzuspielen, versehentlich alle
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