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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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Florida
hatte sie gescherzt.
    Die Reisen hatten aufgehört, als Clemmie noch studiert hatte, möglicherweise um die Zeit, als sie in Rom gewesen war. Sie hatte sich nichts dabei gedacht. Granny Addie war mittlerweile Mitte achtzig gewesen, da waren lange Flugreisen nicht mehr so ganz das Richtige. Außerdem hatte Clemmie anderes im Kopf gehabt. Zwischenprüfungen, Bewerbungsgespräche und Jon.
    Clemmie hob das Foto hoch und hielt es etwas schräg, um besser sehen zu können. «Und die ganzen Jahre hat sie nichts gesagt.»
    «Es wäre ziemlich heikel gewesen. Sie hätte dir erklären müssen, warum du eine zusätzliche Großmutter hast.»
    «Und Tante Anna wäre ausgerastet.» Clemmie wünschte, sie könnte Bea besser erkennen. Dieser Hut war zum Verrücktwerden. «Sie war so felsenfest überzeugt davon, dass Granny Addie ganz bewusst ihre Mutter fernhielt.»
    «Aber wir wissen jetzt», sagte Jon pragmatisch, «dass Granny Addie erst 1972 erfahren hat, dass Bea noch lebte.»
    Die beiden Frauen wirkten so vergnügt auf ihren Liegestühlen.
Bea
 …, hatte Granny gesagt. Clemmie erinnerte sich, mit wie viel Liebe Granny von dem kleinen Mädchen Bea gesprochen hatte. «Ich bin froh, dass sie sich wiedergefunden haben.»
    Sie hörte, wie Jon den Ordner wieder auf den Tisch legte, spürte seine warme Hand an ihrem Rücken, bereit, sie zu halten, wenn sie es brauchte. «Alles gut?»
    Clemmie betrachtete die größere der beiden Frauen. Ihre Großmutter. Beatrice Gillecote Rivesdale Desborough Goldsmith. Dieses Gesicht würde sie vielleicht sehen, wenn sie in vierzig Jahren in den Spiegel blickte. Und sie fühlte keinerlei Verbindung zu dieser Frau. Sie spürte nur Neugier.
    Sie hob den Kopf und schaute Jon an. «Es ist … ach, ich weiß auch nicht. Es spielt auf einmal keine Rolle mehr. Ich hätte gedacht, dass ich was empfinden würde oder vielleicht gekränkt wäre, weil sie einfach gegangen oder nicht zurückgekommen ist. Aber ich empfinde gar nichts. Es ist, als wäre sie eine Romanfigur.»
    «Ihr Leben war ja auch der reinste Roman», sagte Jon. «Und wir werden nie alles über sie erfahren.»
    Die zwei Frauen am Pool sahen aus wie zwei Figuren auf einer dieser Scherzpostkarten mit Sprechblasen: zwei alte Damen beim Sonnenbad.
    «Sie haben wirklich
gelebt
, nicht wahr?», sagte Clemmie. «Nicht nur Bea, alle beide.»
    «Das waren dramatische Zeiten damals», meinte Jon. «Der Verfall des Adels, zwei Weltkriege. Im Vergleich dazu geht es bei uns zahm zu.»
    «Mehr als zahm.» Clemmie sah sich in der Wohnung um, die sie nie gemocht hatte. Sie war so eng. Nicht nur räumlich, sondern in jeder Hinsicht. Die Bücher auf den Regalen waren Bücher, die sie während ihres Studiums gelesen hatte, nichts Neueres war dabei. Es gab keine neuen Fotos, keine Alben, keine Andenken. Die Wohnung war das armselige Zeugnis eines Lebens in einem Kokon. Diese Frauen in ihren schrägen Strandklamotten hatten in ihrem Leben so viel mehr erlebt, als sie jemals erleben würde. Sie hatten die Welt bereist, Ehemänner getauscht, Flugzeuge geflogen, Unternehmen geleitet.
    Clemmie blickte in Jons vertrautes Gesicht mit den Lachfältchen um die Augen. «Ich habe keine Lust mehr, immer auf Nummer sicher zu gehen», sagte sie.
    Die Lachfältchen vertieften sich, als er sie bei den Händen nahm. «Hättest du Lust auf eine Farm in Kenia?»
    «Ich glaube, ein neuer Job in einem neuen Land tut’s fürs Erste auch», sagte Clemmie. Sie drückte fest Jons Hände. «Ich glaube, wir brauchen beide etwas Zeit. Nur ein wenig. Du musst noch die Scheidung hinter dich bringen. Und Aufsätze benoten. Und ich muss mir beweisen, dass ich auch ein Weilchen auf eigenen Füßen stehen kann.»
    «Ein Weilchen?», fragte er.
    Clemmie wusste, was hinter der Frage steckte, und wappnete sich. «Ich liebe dich. Wirklich.» Unglaublich, wie schwer es war, die jahrelang geübte Vorsicht abzuwerfen und es auszusprechen. Ihr war ganz leicht im Kopf, als wäre eine schwere Last von ihr abgefallen. «Ich liebe dich. Und ich bin sicher …»
    «Dass wir seelenverwandt sind?», meinte John mit hochgezogener Braue. «Füreinander bestimmt?»
    «So was in der Richtung.» Wieso hörten sich die wichtigsten Dinge immer am kitschigsten an? «Aber wenn wir es tun, dann lass es uns diesmal richtig machen, ohne Hetze, ohne die Dinge zu überstürzen. Ohne Missverständnisse und falsche Kommunikation.»
    Jon sah sie lange schweigend an. «Gut», sagte er dann, und Clemmie dachte, wie
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