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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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außen gekehrt waren. Clemmie hielt den Stapel krampfhaft fest und drückte auf den Aufzugknopf.
    Am obersten Bild klaffte der Rücken ein Stück auf. Es war kein teures Material, nur schwarze Pappe, die mit dem Alter grau geworden war und sich vom Rahmen zu lösen begann. Darunter konnte sie die glänzende Rückseite des Bildes selbst erkennen, Fotopapier, auf dem in enger, krakeliger Schrift etwas geschrieben stand.
    Clemmie ignorierte den Aufzug und ließ den Bilderstapel so vorsichtig wie möglich zum Boden hinunter. Dann kniete sie sich davor und zog die schwarze Pappe vom Rahmen weg.
    Dove Mountain
las sie. Und darunter:
1976
.
    Es war die gleiche Handschrift wie auf den Fotos, die sie sich in Granny Addies halb ausgeräumtem Schlafzimmer angesehen hatten.

Arizona, 1972
    W oher kommen Sie?» Der Taxifahrer versuchte schon seit Tucson ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.
    «Aus New York.» Addie schaute zum Fenster hinaus, wo die weit um sich greifenden Vorortsiedlungen allmählich einer Landschaft wichen, wie sie sie nie zuvor gesehen hatte, beherrscht von kahlen roten Bergen, die auf eine weite Ebene von Busch und Unterholz herabblickten.
    «So hören Sie sich aber nicht an.»
    Addie lächelte höflich in den Rückspiegel und wandte sich wieder dem Fenster zu in der Hoffnung, damit weiteren Gesprächsversuchen zu entgehen.
    In solchen Momenten wünschte sie, sie könnte Auto fahren. Sie hatte es nie gelernt, nicht richtig jedenfalls. In New York war es nicht nötig gewesen. Wenn sie wirklich einmal ein Auto brauchte, ließ sie sich im Allgemeinen von Marjorie fahren, die aufgrund ihres langen Aufenthalts in Kalifornien eine kompetente Fahrerin war.
    Aber diesmal hatte sie Marjorie nicht bitten können. Dann hätte sie ihr ja sagen müssen, wohin sie wollte.
    «Ziemlich weit von New York hier», versuchte es der Taxifahrer von neuem.
    Der arme Mann. Er konnte nichts dafür, dass sie mit ihren Gedanken allein bleiben und Ruhe haben wollte, um sich vorzubereiten. Als ob die acht Stunden im Flugzeug und die Nacht im Hotel in Tucson dafür nicht gereicht hätten.
    «Ja», sagte Addie. «Ja, das ist wahr.»
    Die Sonne brannte auf das Taxi herunter und drang glühend durch die Fenster. Sie spürte die Hitze trotz der Klimaanlage, die vorn im Wagen asthmatisch keuchend ihre Arbeit tat.
    Sie hatte ihre Kleidung am Morgen besonders sorgfältig gewählt, ein zitronengelbes Futteralkleid mit passendem Hut und farblich abgestimmten Schuhen. Der Rock war schon vom Sitzen zerknittert, ihre Jacke schweißfeucht, und die Handschuhe waren auch nicht mehr strahlend sauber. An einem Fuß hatte sie eine Blase.
    Düster erinnerte sie sich, dass sie sich schon früher einmal ähnlich gefühlt hatte, in einem Zug, der sie von Mombasa aus durch Kenia gefahren hatte. Roter Staub hatte ihr Kostüm verschmiert, und unter dem Band ihres Topfhuts hatte sich der Schweiß gesammelt. Wie jung sie damals gewesen war, wie jung und unerfahren. Einen Moment lang wurde das rumpelnde Taxi zum rumpelnden Zug, und sie war wieder sechsundzwanzig, in ein perlmuttfarbenes Kostüm gekleidet, auf dem Weg zu Frederick.
    Frederick …
    «Besuchen Sie Verwandte?» Die Stimme des Taxifahrers riss sie in die Gegenwart zurück.
    War sie etwa eingenickt? Sie war nicht alt genug, um einfach so wegzudämmern. Sie war erst zweiundsiebzig, ganz sicher noch nicht reif für Schläfchen im Schaukelstuhl.
    Sie nahm sich zusammen. «Wie weit ist es noch?»
    Die roten Straßen zogen sich ins Unendliche.
    Die Leute im Hotel hatten gesagt, die Fahrt müsste ungefähr eine Stunde dauern. Kaum Verkehr da draußen, hatten sie gesagt, und Addie hatte sich gefragt, was sie damit meinten. Jetzt verstand sie es. Hier war nicht nur kein Verkehr, hier war praktisch gar nichts, außer endlosem Buschland und den roten, roten Bergen, die alles überragten.
    Der Taxifahrer warf einen Blick auf die Karte, die ausgebreitet auf dem Sitz neben ihm lag. «Wir müssten eigentlich jeden Moment da sein. Sie sind wohl noch nie hier gewesen?»
    «Nein», sagte Addie nur und unterdrückte den Drang, nervös loszuplappern, zu erklären, dass dies ihre erste Reise nach Arizona war, und idiotische Betrachtungen über die Kakteen anzustellen. «Die Landschaft ist sehr beeindruckend.»
    «Und heiß ist es hier», sagte der Taxifahrer und grinste in den Rückspiegel. Er wies zum Fenster. «Das da unten müsste es sein.»
    «Das Haus dort?» Es war eine dumme Frage. Es war das einzige Haus dort, wenn
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