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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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Angeles gelebt, und plötzlich fuhren sie im vollgepackten Wagen ihrer Mutter quer durch die Staaten, und Clemmie durfte nicht mehr von ihrem Vater reden oder irgendwelche Fragen stellen. Alles, was sie wusste, hatte sie später in Bruchstücken aufgeschnappt, indem sie Gespräche belauschte, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren.
    Ihre Mutter seufzte. «Ich wollte dich schützen. Wir haben unsere Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen ausgetragen, wenn du geschlafen hast.» Sie trank einen Schluck Tee und stellte die Tasse energisch wieder in die Untertasse. «Meine Eltern haben bei ihren Streitereien keine Rücksicht darauf genommen, wer in der Nähe war.»
    «Du meinst, deine richtigen Eltern», sagte Clemmie. Granny Addie und Grandpa Frederick hatten gelegentlich ‹Diskussionen› geführt, die manchmal eine Spur scharf wurden, doch soweit Clemmie sich erinnern konnte, hatte nie einer von ihnen die Stimme erhoben.
    Ihre Mutter nickte. «Meine Mutter hat die Farm gehasst. Sie hat London vermisst. Sie war schließlich eine Debütantin gewesen. Das war damals etwas ganz anderes als heute. Sie kam aus der High Society, sie hatte Dienstboten, ihr Bild war ständig in den Zeitungen. Und auf einmal saß sie mit zwei kleinen Kindern und einem Mann, der sich mehr für Landwirtschaft als für sie interessierte, mitten in der Wildnis. So hat sie es gesehen.» Sie saß sehr aufrecht und beugte sich mit geradem Rücken nur ein klein wenig vor, um ihre Tasse zu ergreifen und noch einmal zu trinken. «Ich glaube, sie hat keine von uns besonders gemocht.»
    Clemmie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie verkniff es sich, ihre Mutter zu fragen, ob sie denn ihre Kinder gemocht habe. Darum ging es nicht. Clemmie war sicher, dass ihre Mutter sie mochte. Jedenfalls meistens.
    «Und mich am wenigsten», fügte ihre Mutter hinzu. «Ich war der Grund dafür, dass sie heiraten musste.»
    Clemmie brauchte einen Moment, um zu begreifen. «Ach so. Du meinst …»
    Ihre Mutter nickte. «Ich weiß noch, wie sie das unserem Vater vorgeworfen hat. Sie hat behauptet, er hätte ihr Leben zerstört.» Sie verzog ein wenig den Mund. «Aber er war auch nicht zimperlich. Er hat sie beschimpft und ihr die schlimmsten Dinge an den Kopf geworfen. Ein Kind hätte so etwas nie hören dürfen.»
    Einen Moment schwiegen sie beide. Der Tee in den Tassen wurde langsam kalt, die Kekse auf dem Teller waren vergessen.
    «Davon hast du mir nie was erzählt.» Clemmie war ein wenig ratlos. Über mehr als die Geschichten von der Farm und dem Dikdik, dem geliebten Streicheltier ihrer Mutter, hatte sie sich, was die Kindheit ihrer Mutter anging, nie Gedanken gemacht. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass ihre Mutter ein ungewolltes Kind gewesen sein könnte.
    Wie sie selbst eins gewesen war. Nicht dass ihre Mutter sie das je hätte spüren lassen, aber, wie sie gesagt hatte, Kinder spürten so etwas. Manchmal fragte sich Clemmie, ob ihre Eltern zusammengeblieben wären, wenn sie nicht gekommen wäre, als die beiden Söhne längst aus dem Haus waren, und sie in ihrer Zweisamkeit gestört hätte.
    Doch Jennifer-die-Journalistin hatte sicher auch eine Rolle gespielt. Es konnte also nicht nur an Clemmie gelegen haben.
    «Warum hätte ich dich damit belasten sollen?» Jetzt griff ihre Mutter doch nach einem Schokokeks. «Es war alles so lang her. Und ich hatte genug damit zu tun», fügte sie hinzu, «dafür zu sorgen, dass es dir gutging und wir ein Dach über dem Kopf hatten.»
    Der klassische mütterliche Doppelschlag. «Ja, das verstehe ich», murmelte Clemmie.
    «Ich weiß, dass Anna der Meinung ist, Addie hätte alles zerstört und uns unser glückliches Zuhause genommen. In Wirklichkeit war es jedoch genau andersrum. Wir hatten überhaupt kein richtiges Zuhause, bevor Addie kam.»
    «Glaubst du, dass sie gar nicht tot war?», platzte Clemmie heraus. «Glaubst du, sie war noch am Leben?»
    Ihre Mutter legte den angebissenen Schokokeks weg. «Wenn sie noch am Leben war», sagte ihre Mutter mit eisenharter Stimme, «dann hat sie uns mit ihrer Entscheidung zu verschwinden den größten Gefallen getan.»
    «Wow», sagte Clemmie.
    Ihre Mutter warf ihr einen nachsichtigen Blick zu. «Ich behaupte nicht, dass deine Großmutter, Addie, eine Heilige war. Das war sie gewiss nicht. Sie konnte stur und herrisch und besserwisserisch sein. Aber alles, was sie getan hat, hat sie aus Liebe getan.» Sie sah Clemmie eindringlich an. «Ich möchte nur, dass
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