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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume
Autoren: Maurizio Temporin
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merkwürdig – der Himmel war nicht nur weiß, das Firmament war auch mit Kratern überzogen.
    Großer Gott!, dachte ich. Dieser Himmel war eine feste Masse, eine Wand, eine gigantische Kuppel.
    Ich drehte mich um meine eigene Achse, sah hinauf und hinüber zum Horizont, den ich wegen der Dünen nicht ausmachen konnte. Es schien der Mond zu sein – ich schien im Inneren des Mondes zu sein.
    Dann sah ich das Loch.
    Ich blieb stehen.
    Im Himmel – wenn man das so nennen konnte – war ein rundes Loch, eine Öffnung, schwarz wie die Nacht. Und vielleicht war es auch wirklich die Nacht, denn wenn alles aus der Schale des Mondes bestand, musste es ja irgendwo ein bisschen Nacht geben.
    Ich befand mich in einer Aschewüste unter einem Mondhimmel, in dessen Mitte ein Loch aus Nacht klaffte.
    Und außer mir war kein Mensch hier.
    Nach dem Staunen, das auf die Aufregung gefolgt war, schnürte mir nun Panik die Kehle zu. Ich war allein an einem Ort, der gar nicht existieren konnte.
    Ich versuchte, meine Atmung, die immer mehr zu einem Keuchen wurde, wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch je mehr ich mich anstrengte, desto mehr von dieser nach Ruß schmeckenden Luft pumpten meine Lungen in mich hinein.
    In diesem Augenblick begriff ich wirklich, was Angst ist. Ich zitterte und bebte, und das nicht vor Kälte.
    Ich schlang die Arme um mich, um mir selbst Gesellschaft zu leisten und das Zittern zu stoppen. Es nützte nichts. In mein Schaudern mischten sich Tränen, die mein Gesicht nass überzogen.
    Ich ließ alles aus mir heraus. Ich konnte und wollte mich nicht zusammennehmen. Ich hoffte, dass sich mit meinem Weinen auch diese ganze absurde Welt in nichts auflösen würde. Ich hoffte, in diesem Irisgarten aufzuwachen, wenn ich die Augen so fest wie nur möglich zusammenkniff.
    Um die Tränen zu unterdrücken, blinzelte ich so heftig, dass es schmerzte, doch als ich die Lider wieder aufschlug, war ich noch immer dort. Verloren in einem endlosen Gefängnis ohne Mauern.
    Das dringende Bedürfnis zu fliehen ließ mich aufspringen.
    Ich versuchte auf eine Düne hinaufzulaufen, aber meine Schritte waren langsam und plump. Meine Füße sanken in die Asche ein, und es war mühselig, auch nur einen einzigen Meter zurückzulegen. Keiner würde mich hier finden, keiner.
    Die Düne war steil, und meine Beine waren vor Angst zu schwach, um sie zu bewältigen. Ich rutschte und fiel.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht und fing wieder an zu weinen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich machte mir Vorwürfe und sagte mir, dass alles vorbeigehen würde, wenn ich mir nur ein kleines bisschen mehr Mühe gab. Ich musste etwas tun, das wusste ich, aber ich hatte keine Ahnung was.
    Irgendwann verging auch die Angst, und ich versuchte, die Situation mit der größtmöglichen Klarheit anzugehen.
    Ich war in dieser Wüste. Niemand würde mich suchen. Ich konnte nur auf mich selbst zählen.
    »Also los!«, sagte ich mir.
    Ich stand auf, wischte die letzten Tränen weg und kletterte entschlossen weiter die Düne hinauf. Sie war hoch, aber als ich oben war, verspürte ich eine unendliche Erleichterung.
    So unendlich wie das Panorama, das sich mir bot.
    Auf der anderen Seite der Düne konnte ich Gebäude ausmachen, vielleicht eine Stadt. Wenn das, was ich sah, nicht nur eine Luftspiegelung war, würde ich dort wahrscheinlich Menschen antreffen.
    Ich machte einen Schritt, und der graue Sand gab unter meinem Gewicht nach. Um nicht einzusinken, musste ich schnell laufen, und das Kleid erschwerte die Sache. Während ich den steilen Hang hinunterrannte, wäre ich mehrmals fast gestürzt.
    Als ich unten angelangt war, ging ich langsamer. Ich merkte, dass der Boden in Richtung Stadt immer kompakter wurde. Er war nicht richtig fest, aber ein wenig so, als würde man am Strand entlanggehen.
    Ich verstauchte mir den Knöchel und verfluchte den Teufel, der das Ganze hier erschaffen hatte. Als ich das Bein anhob, um meinen Knöchel zu massieren, sah ich, dass ich Schuhe mit Absätzen trug. Hätte ich das gleich bemerkt, wäre alles sehr viel einfacher gewesen. Ich zog sie aus und schleuderte sie mit einem wütenden Schrei weit weg.
    Ich zerriss auch teilweise das Kleid, auf das ich immer wieder trat. Dann gelangte ich zu den Gebäuden. Ohne Bezugspunkte war es schwierig, die Entfernung einzuschätzen, aber ich war vielleicht ein paar Kilometer gelaufen.
    »Was ist das hier nur für eine Hölle?«, flüsterte
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