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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume
Autoren: Maurizio Temporin
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Wirklichkeit zurück: »Deine Freunde sind echte Feiglinge.«
    Ich versuchte mehrmals, die Augen aufzuschlagen und riss sie nun abrupt auf.
    Ich saß auf dem Rücksitz eines fahrenden Autos, am Steuer war ein Mann um die fünfzig. Er blickte sorglos drein und sah ein wenig kauzig aus.
    »Wo bin ich?«, fragte ich beunruhigt.
    Es war nicht schön, im Wagen eines Fremden aufzuwachen, nicht einmal nachdem man von Aschemonstern angegriffen worden war.
    Ich drehte mich um. Keine Spur von meinen Freunden.
    »In einem Auto«, antwortete er verwundert. »Deine Beobachtungsgabe ist wohl nicht sehr gut.«
    Er sah mich mit einem merkwürdigen Lächeln an, und ich drückte mich an die Tür. Diese rote Fliege, die er trug … Die störte mich am meisten. Das letzte Mal hatte ich so etwas am Hals einer Mörder-Bauchrednerpuppe gesehen!
    »Lassen Sie mich sofort aussteigen!«
    »Wir sind gleich da«, antwortete er beschwichtigend.
    Er bremste ab und bog in eine Straße ein. Ich erkannte sie an dem Schild eines Geschäfts, in das ich immer mit Christine ging. Das beruhigte mich ein wenig. Zwei Kreuzungen weiter sah ich schon die Apotheke meiner Mutter.
    Da wurde mir klar, wie absurd die ganze Situation war.
    »Woher wissen Sie denn, wo ich wohne?«, fragte ich ungehalten, um ihm meine Wut zu zeigen.
    Er kratzte sich am Kopf. »Hm … Ich habe dich oft auf dem Schulweg gesehen.«
    Ich riss Augen und Mund auf. »Spionieren Sie mir nach? Verfolgen Sie mich?«
    Ich wollte das Fenster herunterlassen und um Hilfe rufen. Der Mann hielt an einer roten Ampel.
    »Nein, ich spioniere dir nicht nach und ich verfolge dich auch nicht, und das hier ist ein Oldtimer, sei also ein bisschen vorsichtig.«
    »Lassen Sie mich sofort aussteigen!«, erwiderte ich.
    Dann wurde ich wieder ruhiger. Dieser Mann war zwar komisch und hatte mir noch keine Erklärung gegeben, aber er wirkte nicht bedrohlich. Und wenn ich schon entführt worden war – was ich eigentlich ausschloss – dann wenigstens in einem schönen Wagen, einem altmodischen, feuerroten Cabrio.
    »Ich wollte dir nur einen Gefallen tun«, sagte der Mann und reckte den Hals, um die Ampel zu sehen. »Eigentlich müsste ich derjenige sein, der wütend ist. Schließlich bist du in meinem Garten ohnmächtig geworden, nachdem du ihn ohne meine Erlaubnis betreten hast. Das nennt man Hausfriedensbruch!«
    Ich runzelte die Stirn. »Die Villa gehört Ihnen?«
    »Die Villa, die aus der Asche auferstanden ist. Genau«, antwortete der Mann, blies die Backen auf und schnaubte.
    »Wie bitte?«
    »Ach nichts, alte Erinnerungen. Ein Freund von mir nannte sie so. Er hat vor mir dort gewohnt.«
    Die Ampel wurde grün.
    »Wo sind meine Freunde hin?«
    Der Mann legte den Gang ein und fuhr los.
    »Kaum haben sie mich aus dem Haus kommen sehen, sind sie abgehauen. Aber du darfst ihnen nicht böse sein. Verschlafen und im Morgenrock bin ich sicherlich kein schöner Anblick.«
    Er hielt direkt vor der Apotheke. Drinnen bediente meine Mutter Kunden. Sie sah mich durchs Schaufenster, und ich bemerkte gleich ihre zornige Miene. Ich wandte mich an den Mann: »Wie lange habe ich geschlafen?«
    Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett.
    »Ich würde sagen: vier Stunden. Ich wusste nicht, wie ich dich wach kriegen sollte. Meine Frau hat es sogar mit kaltem Wasser versucht, aber du …«
    Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nasse Haare hatte.
    »Ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass ich krank sein könnte? Haben Sie denn keinen Rettungswagen gerufen?«, fragte ich.
    Das hätte ich nämlich getan, wenn ich im Hof meines Hauses eine ohnmächtige Person gefunden hätte. Er hingegen kratzte sich wieder am Kopf, und bevor ihm noch eine Antwort einfiel, öffnete sich die Wagentür neben mir. Ich blickte direkt in die Augen meiner Mutter, die aussahen wie Gewehrläufe.
    »Das wird kein schöner Tag für dich!«, sagte sie und zog mich nach draußen. Dann beugte sie sich zum Autofenster hinunter, sah den komischen Typen an, der im Wagen saß, und sagte etwas, das ich niemals erwartet hätte.
    »Charles!«
    Kannte sie ihn? Und wenn sie ihn kannte, warum klang sie dann so vorwurfsvoll? Vielleicht war er ein Stammkunde der Apotheke. Ja, so musste es sein. Der Mann fing an zu lachen.
    »Julia, ich habe sie im Garten gefunden, sie hat inmitten der Blumen geschlafen.«
    Meine Mutter strich sich irgendwie ratlos durch ihr blondes Haar. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ihrem Tonfall nach zu urteilen, war sie auch auf diesen Mann
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